Arbeitswelten – Der Mensch im Mittelpunkt
Die wichtigsten Dinge, die Architekten und Designer immer zu ignorieren neigen, wenn sie Räume, Büros etc. entwerfen, benennt der spanische Architekt Guzmán de Yarza folgendermaßen: „Architekten benutzen eine Unmenge von beeindruckenden Werkzeugen und Programmen, mit denen sie bis zur Nadelspitze alles bestimmen können, aber meistens übersehen sie die Menschen, die diese Räume dann benutzen werden und sollen.“
Als größten Fehler bezeichnet er es, nicht den Nutzer in den Mittelpunkt zu stellen. „Man soll den Menschen, welcher den Raum benutzen wird, als Kunden und nicht als Auftragnehmer einer Dienstleistung sehen.“ Er spricht auch in seiner Funktion als Direktor eines Lehrganges an der „IE School of Architecture and Design“ den Punkt an, dass es den Mitarbeitern in vielen Bürogebäuden verwehrt ist, Fenster zu öffnen und das Klima selbstständig zu kontrollieren. Man endet so in einem Glashaus. In einer Studie des internationalen Marktforschungsinstitutes Ipsos stellt sich auch heraus, dass ein Drittel aller Angestellten mit den klimatischen und beleuchtungstechnischen Bedingungen an ihren Arbeitsplätzen unzufrieden ist. Manager sollten für ihre Mitarbeiter arbeiten und nicht die Mitarbeiter für sie arbeiten lassen.
Wo Interessenvertretung zum Spaziergang wird
Ein gutes Beispiel für eine veränderte Sicht dieser Kriterien ist der neue Eingangs-, Empfangs- und Beratungsbereich der Industrie- und Handelskammer Potsdam (IHK). Er will nicht nur den Mitarbeitern zur Verfügung stehen, sondern explizit eine Einladung an alle IHK-Mitglieder aussprechen, in dieser „Businesslounge“ zum entspannten Gespräch zusammenzukommen. BvdM Architekten (Jochen Buder, Constantin von der Mülbe) schufen mit dem Foyerumbau eine Atmosphäre, in der anstelle nüchterner Repräsentation der Besucher die Räume als Schaltstelle für Vernetzung erlebt. Der aus der Symmetrieachse gerückte helle Empfangstresen fungiert als gestalterisches Verbindungselement zur „Weißen Moderne“, der sich der Bestandsbau aus den 1990er Jahren verschrieben hat. Während der Brandenburger Adler aus dem Logo der IKH Potsdam übergroß, aber in stark abstrahierter Form, über den zeitgemäßen Umgang mit Tradition wacht, kommuniziert ein gigantischer Leuchtkasten die IHK als dynamischen Impulsgeber für Vernetzungsstruktur. Der strenge Rhythmus der Stützenreihe in den ehemaligen Verteilertunneln wurde teils gelichtet, teils ergänzt, sodass sich spielerisch Durchgänge ergeben, die sich mit geschlossenen Präsentationsflächen abwechseln.
Beiderseits der zentralen Empfangsgeste gelangt man so in die neu gestalteten „Lounge-“ und „Bibliotheksbereiche“ zwischen denen in akustisch bedämpften Besprechungsboxen unterschiedliche formellere und informellere Einladungen zum Gespräch möglich sind. Eine überflüssig gewordene Raumnische beherbergt heute eine skulpturale „Leitbildwand“, deren bewegte Form dazu animieren will, immer neu bespielt zu werden. Die Kreise in Decke und Boden dienen nicht nur der verbesserten Akustik, sie formen spielerisch Lichtungen in dem augenzwinkernden regionalen Bezug in Form eines in Farbstreifen und Schwarzstahlstäben übersetzten Brandenburger Waldes. Das Motiv des Kreises, das in der Bestandsarchitektur des Hauses immer wieder auftaucht, wird hier von seiner architektonischen Strenge befreit und von der Innenarchitektur spielerisch genutzt. Spielerisch und intuitiv funktioniert auch die sogenannte „Start-Up-Lounge“ mit einer möbelhaft collagierten Informations- und Broschürenwand, mit Sitzstufen, gegenüberliegendem Bildschirm und angegliedertem Computerarbeitsplatz.
Fotos: ©BvdM Architekten
Kategorie: Design