Brandschutz im Holzbau

28. September 2022 Mehr

Die Eigenschaften von Holz machen es seit jeher zu einem vielseitigen Baustoff der sich – besonders in Anbetracht der derzeitigen Nachhaltigkeitsbemühungen – größter Beliebtheit erfreut. Längst wird damit auch in die Höhe gebaut, wie beispielsweise beim HoHo in der Seestadt Aspern. Die Verwendung eines brennbaren Materials wirft hier Fragen, oft sogar Skepsis, bezüglich des Brandschutzes auf. Das jedoch zu Unrecht, denn die Sicherheit ist hier im Brandfall oft sogar höher – denn Holzbauteile sind berechenbar und versagen nicht unvorhergesehen. Um diesbezüglich einen Überblick zu verschaffen, finden Sie hier eine gekürzte Abhandlung von Dipl.-Ing. Dr. techn. Martin Teibinger, allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, Lehrer am Camillo Sitte Bautechnikum in Wien und Lektor an diversen Fachhochschulen und Universitäten.

 

 

Abbrand von Holz

Beim natürlichen Baustoff Holz handelt es sich bekanntlich um einen brennbaren Baustoff. Im Brandfall bilden sich eine Kohle- und eine Pyrolyseschicht aus, welche isolierend wirken und für einen kontrollierten Abbrand des Holzes sorgen. Die Temperatur nimmt nach innen über die ersten paar Millimeter sehr rasch ab. Dahinter liegen keine verringerten Festigkeits- und Steifigkeitseigenschaften vor. Die Abbrandraten und die geringfügigen Festigkeitminderungen können der ÖNORM EN 1995-1-2 entnommen werden.

Die Entzündungstemperatur ist neben der Rohdichte und der Holzfeuchtigkeit unter anderem von der Erwärmungsdauer abhängig. So kann es bei einem über Stunden andauernden Hitzestau am Holz zu einer Entzündung ab ca. 120 °C kommen.

Diese Tatsache wird unter anderem beim Einbau von Öfen in Holzhäusern berücksichtigt. Der ÖNORM B 2331 können in diesem Zusammenhang erforderliche Randabstände und Hinterlüftungsquerschnitte entnommen werden.

Für die Berechnung des Restholzquerschnittes zur statischen Dimensionierung nach einer erforderlichen Zeitdauer wird in ÖNORM EN 1995-1-2 zwischen der eindimensionalen und der ideellen Abbrandrate unterschieden. Die eindimensionale Abbrandrate β0 liegt bei Voll- und Brettschicht­holz aus Nadelholz bei 0,65 mm/min. Dies bedeutet, dass ca. 2 cm Holz in 30 Minuten Brandbeanspruchung abbrennen.

Bei einem mehrseitigen Abbrand, beispielsweise bei Stützen, wird aufgrund der Eckausrundung die sogenannte ideelle Abbrandrate βn verwendet, welche höhere Werte aufweist. Damit ergibt sich für die Berechnung wieder ein rechteckiger Restholzquerschnitt. Für Brettschichtholz liegt βn bei 0,7 mm/min und für Vollholz bei 0,8 mm/min.

Für Brettsperrholzelemente, welche mit PUR verklebt sind, ergeben sich, entsprechend umfangreicher internationaler Untersuchungen, erhöhte Abbrandraten der inneren Brettlagen. Aufgrund des Abfalls der Kohleschicht der ersten Lage und der höheren Temperaturen sowie der geringeren Holzfeuchtigkeit an der nächsten Lage, erhöht sich bis zur Ausbildung einer Kohleschicht von 25 mm deren Abbrandrate. Bei Decken- und Dachelementen ist mit einer Verdoppelung zu rechnen.

Werden Holzkonstruktionen mit Gipskartonplatten bekleidet, so sind der Beginn des Abbrandes hinter der Bekleidung gemäß ÖNORM EN 1995-1-2 und die Versagenszeit gemäß ÖNORM B 1995-1-2 zu berechnen.

 

Brandverlauf

Ein Brand kann in zwei Phasen eingeteilt werden, wobei die Entstehungsbrandphase durch einen langsamen und geringen Temperaturanstieg gekennzeichnet ist. Die Phase kann in Zünd- und Schwelbrandphase unterteilt werden. In der Entstehungsbrandphase ist das Baustoffverhalten (Brandverhalten) der eingesetzten Bekleidungen und Beläge entscheidend. Zum Zeitpunkt des sogenannten Flashover kommt es zu einem sprunghaften Temperaturanstieg. Sämtliche brennbaren Stoffe und Gase im Brandraum entzünden sich schlagartig. In dieser Phase ist das Bauteilverhalten (Feuerwiderstand der Bauteile) entscheidend.

 

Brandverhalten von Baustoffen

Wesentliche Eigenschaften zur Beurteilung von Baustoffen hinsichtlich des Brandverhaltens stellen die Entzündbarkeit, die Brennbarkeit, die Flammenausbreitung, die Rauchentwicklung sowie die Abbrandgeschwindigkeit dar. Da diese Eigenschaften von unzähligen Faktoren abhängen, werden zur Vergleichbarkeit des Brandverhaltens der einzelnen Baustoffe standardisierte Prüfungen durchgeführt. Die Einteilung von Baustoffen mit Ausnahme von Bodenbelägen erfolgt nach ÖNORM EN 13501-1.

Bei der Nutzung von Klassifizierungsberichten nach ÖNORM EN 13501-1 ist zu beachten, dass immer die Einbausituation (z.B. mit/ohne Luftschicht) berücksichtigt werden muss. Um den erforderlichen Prüf- und Klassifizierungsaufwand zu reduzieren, besteht seitens der Europäischen Kommission die Möglichkeit, für Baustoffe mit bekanntem Brandverhalten und definierten Materialeigenschaften Klassifizierungen ohne zusätzliche Prüfungen (CWFT – classification without further testing) durchzuführen. In Übereinstimmung mit der Entscheidung der Europäischen Kommission 2003/43/EC ist Konstruktionsholz mit einer Mindestdichte von 350 kg/m³ und einer Mindestdicke von 22 mm zur Verwendung als Wand-, Decken-, Dach- oder Sonderbauteile der Euroklasse D-s2, d0 nach ÖNORM EN 13501-1 zuzuordnen.

 

 

Feuerwiderstand von Bauteilen

Die Anforderungen an den Feuerwiderstand werden immer an den gesamten Bauteil gestellt.  Bei den Feuerwiderstandsklassen REI kann, im Gegensatz zu den früheren Brandwiderständen (F-Klassen), zwischen tragenden und/oder brandabschnittsbildenden Bauteilen unterschieden werden.

  • R tragend, nicht abschließend
  • EI abschließend
  • REI tragend & abschließend

Bei tragenden Innenwänden innerhalb einer Nutzungseinheit muss mit einer beidseitigen Brandbeanspruchung gerechnet werden. Dies bedeutet, im Gegensatz zu einer Trennwand zwischen unterschiedlichen Nutzungseinheiten (Anforderung EI bzw. REI), bei der nur eine einseitige Brandbeanspruchung vorliegt, dass die Bekleidungen gleichzeitig versagen. Im Gegensatz dazu kann bei einer einseitigen Brandbeanspruchung eine aussteifende Wirkung der brandabgekehrten Holzwerkstoff- und/oder Gipsplatten vorliegen. Die vorhandenen Klassifizierungsberichte führen in der Regel (lediglich) das REI-Kriterium an, also berücksichtigen ausschließlich eine einseitige Brandbeanspruchung.

Bei Gebäuden der Gebäudeklasse 1 werden grundsätzlich keine Anforderungen an den Feuerwiderstand der Bauteile gestellt. Ausgenommen ist die Brandwand an der Grundgrenze, die einen Feuerwiderstand von REI 60 erfüllen muss.

Bei Objekten in der GK 3 bzw. GK 4 mit brandabschnittbildenden Wänden innerhalb der Gebäude kann es ebenfalls zu unterschiedlichen Anforderungen der Wände mit 60 bzw. 90 Minuten Feuerwiderstand kommen. Sofern es sich um tragende Wände handelt und die Deckenspannrichtung quer zur brandabschnittsbildenden Wand läuft, sind konstruktive Überlegungen erforderlich.

Weiterführende Informationen sind im Bauteilkatalog www.dataholz.eu zu finden.

 

Detailknotenausbildung

Die Auswahl klassifizierter Bauteile und die Einhaltung der geforderten Baustoffe zur Erzielung des geforderten Feuerwiderstandes ist das Eine – die richtige Montage und Verbindung der Elemente vor Ort sind natürlich mindestens genauso wichtig für ein brandschutztechnisch sicheres Gebäude. Die Elementkoppelungen müssen so ausgebildet sein, dass sie denselben Feuerwiderstand erfüllen wie die flächigen Bauteile selbst. Um dies gewährleisten zu können, sind nachfolgend angeführte Maßnahmen erforderlich. Diese gelten grundsätzlich für jede Bauweise, auch für mineralische:

  • Vermeiden unkontrollierter Hohlräume: Bei zweischaligen Trennwänden sind die Hohlräume zwischen den beiden Wandscheiben mit einem nichtbrennbaren Dämmstoff auszudämmen. Der Dämmstoff verhindert nicht nur eine unkontrollierte Brandausbreitung über den Hohlraum, sondern auch eine nichtgeplante Koppelung der beiden Wände. Diese würde zu einer unerwünschten Schallübertragung zwischen den beiden Nutzungseinheiten führen.
  • passgenaue Verarbeitung der Elemente: Die passgenaue Verarbeitung der Elemente ist grundsätzlich im Holzbau aufgrund des hohen Vorfertigungsgrades gegeben. Sollte trotzdem vor Ort etwas nachgeschnitten werden bzw. Unebenheiten zwischen den Kontaktflächen vorliegen, so sind diese brandschutztechnisch zu verschließen.
  • kraftschlüssige Verschraubungen der Elemente untereinander: Aus statischen Gründen werden die einzelnen Wand- und Deckenscheiben immer kraftschlüssig miteinander verbunden.

 

Installationen

Der beste brandabschnittsbildende Bauteil versagt, wenn durch diesen nichtabgeschottete Installationen eingebaut wurden. Aus diesem Grund ist bei jeder Bauweise das Zusammenspiel der unterschiedlichen Professionisten entscheidend. Gebäudetechnikplaner, Installateure und Elektriker müssen hier die spezifischen Besonderheiten des Holzbaus  kennen. Wenn Installationsleitungen, Schächte und Kanäle in Trennbauteilen liegen und/oder diese durchdringen, ist durch brandschutztechnische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Feuerwiderstandsklasse des Bauteils eingehalten wird.

Die Ausbildung von Installationsebenen wird im Holzbau aus unterschiedlichsten bauphysikalischen Gründen grundsätzlich empfohlen. Sofern E-Installationen trotzdem im Gefach liegen und diese durchdringen, sind bei Trennbauteilen brandschutztechnische Zusatzmaßnahmen auszuführen.

ÖNORM B 2330 führt auf Basis von Untersuchungen konstruktive Regeln für nachweisfreie Ausbildungen von Schächten in Holzbauten an. Schachtbegrenzende Wände müssen von beiden Seiten den Feuerwiderstand aufweisen, der von der Schachtwand gefordert ist und sind schachtinnenseitig nichtbrennbar zu bekleiden. Alternativ zu den angeführten Konstruktionsempfehlungen können geprüfte und klassifizierte Systemlösungen für den Holzbau eingesetzt werden.

 

Fassaden aus Holz

Brände an Fassaden können aufgrund einer konvektiven Wärmeübertragung und Wärmestrahlung infolge eines Brandes bei einem Nachbargebäude, durch Vandalismus, Unfälle sowie aufgrund eines Flammenaustritts im Zuge eines Vollbrandes im Gebäude selbst entstehen. Die letzte Variante stellt die häufigste Brandursache an Fassaden dar. Die Flammen reichen bei einem Ausbrand einer Wohnung bis zur Fensterunterkante des 2. darüberliegenden Geschosses. Würde die Feuerwehr nicht eingreifen, käme es in dem darüberliegenden Geschoss zu einem Einbrand und in weiterer Folge ebenfalls zu einem Flashover. Der Brand würde, unabhängig von der Bauweise und der Fassade, von Fenster zu Fenster über die gesamte Gebäudehöhe geleitet werden.

Zu den Auswirkungen der Brandlast einer Holzfassade wurden national und international umfangreiche Untersuchungen durchgeführt. An der Stelle sei darauf hingewiesen, dass in Österreich im Gegensatz zu Deutschland und der Schweiz ein strengeres Schutzziel vorherrscht. Aus diesem Grund sind die konstruktiven Lösungen unserer Nachbarn in Österreich nicht umsetzbar.

In Österreich sind Holzfassaden bei Objekten in der Gebäudeklasse 5 bis zu maximal sechs oberirdischen Geschossen zulässig. Ab der Gebäudeklasse 4 sind brandschutztechnische Vorkehrungen erforderlich. Dies bedeutet auch, dass die Bekleidung innerhalb der Hinterlüftungsebene nichtbrennbar sein muss. Eine im Holzbau gerne verwendete diffusionsoffene Holzwerkstoffplatte ist in diesem Fall durch eine Gipsfaserplatte zu ersetzen. Das brennbare Windpapier hat keinen relevanten Einfluss auf die Brandweiterleitung. In der OIB Richtlinie 2 gibt es für Objekte der Gebäudeklasse 4 eine Ausnahme zu den erforderlichen Brandschutzsperren, wenn das Gebäude freistehend und von mindestens drei Seiten für die Brandbekämpfung zugänglich ist, die Dämmung im Bereich des Fassadensystems bzw. die Bekleidung des Gefachs mind. A2 sind, die Befestigungsmittel einen Schmelzpunkt ≥ 1.000 °C haben und der Hinterlüftungsquerschnitt ≤ 6 cm ist.

 

Fazit

Für die brandschutztechnische Sicherheit eines Gebäudes sind nicht das Brandverhalten der Bauteile, sondern viel mehr das richtige Konstruieren und der richtige Materialeinsatz entscheidend. In jeder Hinsicht robuste Konstruktionen garantieren eine lange Lebensdauer. Auf Basis umfangreicher nationaler und internationaler Untersuchungen liegen sichere Detaillösungen für den Holzbau vor.

Die gesamte ungekürzte Abhandlung inklusive Berechnungsgrundlagen, Quellenverzeichnis und zahlreichen Abbildungen finden Sie unter:
www.derteibinger.at

 

 

Text: Dipl.-Ing. Dr. techn. Martin Teibinger

 

 

Kategorie: Holz, Kolumnen, Sonderthema