Naturalteilung durch Begründung von Wohnungseigentum

27. September 2019 Mehr

Naturalteilung durch Begründung von Wohnungseigentum

Naturalteilung – Steht eine Liegenschaft im Eigentum mehrerer schlichter Miteigentümer, kommt allen Miteigentümern der Besitz der gemeinschaftlichen Sache insgesamt zu. Diese Rechtslage birgt erhebliches Konfliktpotenzial in sich, insbesondere wenn sich die Miteigentümer nicht auf eine alle zufriedenstellende Benützungsregelung einigen können. Eine Möglichkeit, einen solchen Konflikt zu lösen, besteht in der Begründung von Wohnungseigentum, wodurch jedem Miteigentümer das exklusive Recht zur Nutzung und Verfügung über ein bestimmtes Wohnungseigentumsobjekt der Liegenschaft eingeräumt wird.

 

Naturalteilung

 

Die Begründung von Wohnungseigentum erfolgt üblicherweise durch den Abschluss eines Wohnungseigentumsvertrages zwischen den Miteigentümern und bewirkt die Aufteilung der Nutzungs- und Verfügungsrechte an allen wohnungseigentumstauglichen Objekten der Liegenschaft, sohin an Wohnungen, sonstigen selbstständigen Räumlichkeiten (Geschäftsräumlichkeiten, Lager, etc.) und an Kfz-Stellplätzen. Die zentralen Bestimmungen des Wohnungseigentumsvertrages sind im Wohnungseigentumsgesetz (WEG) geregelt.

Jedoch kann ein einzelner Miteigentümer den Abschluss eines Wohnungseigentumsvertrages verhindern, indem er seine Zustimmung hierzu verweigert. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn der jeweilige Miteigentümer andere Interessen als die Begründung von Wohnungseigentum verfolgt, z. B. die Liegenschaft veräußern möchte, um daraus einen Erlös zu lukrieren. In einem solchen Fall kann für jene Miteigentümer, welche die Begründung von Wohnungseigentum wünschen, unter Umständen die gerichtliche Teilung der Liegenschaft durch Begründung von Wohnungseigentum Abhilfe schaffen.

Die Teilung einer Liegenschaft durch Begründung von Wohnungseigentum ist eine Sonderform der Naturalteilung (physische Aufteilung der Liegenschaft), welcher nach herrschender Rechtsprechung gegenüber der Zivilteilung (durch Veräußerung der Liegenschaft und Aufteilung des Erlöses) der Vorzug zu geben ist. Voraussetzung für eine solche Naturalteilung ist zunächst die formelle Aufhebung der Miteigentümergemeinschaft, die mittels Klage geltend gemacht werden kann.

Die Miteigentümergemeinschaft wird dadurch in eine Wohnungseigentümergemeinschaft umgewandelt, wenn die Begründung von Wohnungseigentum an der jeweiligen Liegenschaft faktisch möglich und tunlich ist. Die Naturalteilung durch Begründung von Wohnungseigentum ist faktisch möglich und tunlich, wenn eine ausreichende Anzahl von Wohnungseigentumsobjekten vorhanden ist und durch die Begründung von Wohnungseigentum keine Wertminderung der Liegenschaft eintritt.

In der Regel wird die Anzahl der Wohnungseigentumsobjekte von der Rechtsprechung als ausreichend angesehen, wenn jeder Miteigentümer Wohnungseigentum an einem Wohnungseigentumsobjekt erhält, dessen Nutzwert- bzw. Mindestanteil seinem bisherigen Miteigentumsanteil entspricht. Wenn mehr Miteigentümer als Wohnungseigentumsobjekte vorhanden sind, können einzelne Miteigentümer auch auf Liegenschaftsanteile verzichten oder Eigentümerpartnerschaften mit anderen Miteigentümern bilden, um die Begründung von Wohnungseigentum zu ermöglichen. Die Miteigentümer der jeweiligen Liegenschaft können im Rahmen des Verfahrens auch Teilungsvorschläge unterbreiten.

Die Zulässigkeit (Tunlichkeit) der Teilung durch die Begründung von Wohnungseigentum ist nicht davon abhängig, ob die Miteigentümer über die zukünftige Gestaltung eines oder mehrerer Wohnungseigentumsobjekte Einigung erzielen. Vielmehr ist die Zulässigkeit der Begründung von Wohnungseigentum anhand des „Ist-Zustandes“ und der tatsächlichen Nutzungsverhältnisse der Liegenschaft zu beurteilen. Eine Wertsteigerung, die sich allenfalls künftig realisieren lässt (z. B. durch einen Dachgeschossausbau, Zu- oder Anbau), ist für diese Beurteilung nicht ausschlaggebend. Das Gericht ist bei seiner Entscheidung auch nicht an etwaige Teilungsvorschläge der Miteigentümer gebunden.

Für den Fall, dass die Nutzwert- bzw. Mindestanteile von den bisherigen Miteigentumsanteilen abweichen, lässt die Rechtsprechung zu, dass solche Abweichungen durch Zahlungen ausgeglichen werden. Sind für diesen Wertausgleich jedoch unverhältnismäßig hohe Zahlungen erforderlich, wird die Teilung der Liegenschaft durch Begründung von Wohnungseigentum von der Rechtsprechung wiederum als unzulässig erachtet. Gleiches gilt für den Fall, dass die Realteilung unverhältnismäßig hohe Umbau- oder Teilungskosten voraussetzt. Der Oberste Gerichtshof hat etwa schon eine erforderliche Ausgleichszahlung in Höhe von 9,55 % des Verkehrswertes der Liegenschaft als unverhältnismäßig hoch angesehen und daher die Teilung durch Wohnungseigentumsbegründung abgelehnt. Eine erforderliche Ausgleichszahlung hindert die Wohnungseigentumsbegründung jedoch nicht, wenn der von der Anteilsminderung betroffene Miteigentümer auf die Ausgleichszahlung verzichtet und mit der Verminderung seines Anteils einverstanden ist.

Die Frage der Tunlichkeit der Begründung von Wohnungseigentum ist durch einen Vergleich des Verkehrswertes der Liegenschaft vor der Begründung von Wohnungseigentum mit jenem nach der Begründung von Wohnungseigentum zu beantworten. Auch bei daraus resultierenden Wertschwankungen lässt die Rechtsprechung im Interesse der Begründung von Wohnungseigentum einen Wertausgleich in Geld zu, wiederum vorausgesetzt, dass es sich dabei nicht um unverhältnismäßig hohe Zahlungen handelt.

Voraussetzung für die Begründung von Wohnungseigentum ist unter anderem ein Nutzwertgutachten und ein Gutachten über den Bestand an wohnungseigentumstauglichen Objekten. Die Nutzwertermittlung sowie die Erstellung der Gutachten erfolgt durch einen für den Hochbau zuständigen Ziviltechniker oder einen allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für das Hochbau- oder Immobilienwesen. Das Gericht hat im Falle einer auf Wohnungseigentumsbegründung ausgerichteten Teilungsklage – aufgrund meist fehlender eigener Fachkenntnis – einen Sachverständigen aus dem Bereich Hochbau und/oder Immobilienwesen oder einen Ziviltechniker mit der Nutzwertermittlung und der Beurteilung der faktischen Möglichkeit und Tunlichkeit der Begründung von Wohnungseigentum zu beauftragen.

Es liegt daher vielfach am Fingerspitzengefühl des involvierten Sachverständigen oder Ziviltechnikers, im Rahmen der technischen Schwankungsbreiten bei der Ermittlung der Nutzwerte und Verkehrswerte einer Liegenschaft ein für alle Miteigentümer möglichst ausgewogenes Ergebnis zu erzielen, wobei insbesondere der sich ständig weiter entwickelnden Rechtsprechung Rechnung zu tragen ist.
Auch wenn die Teilung durch Begründung von Wohnungseigentum ein durchaus probates Mittel zur Verhinderung einer Zivilteilung und damit verbundenen Liegenschaftsveräußerung darstellen kann, ist zu beachten, dass sich ein Rechtsstreit über die Teilung einer Liegenschaft durch Begründung von Wohnungseigentum daher als ein riskanter – auch für den jeweiligen Sachverständigen bzw. Ziviltechniker haftungsträchtiger – Ritt auf der Rasierklinge erweisen kann, wenn die Aufteilung der Liegenschaft bzw. der einzelnen Wohnungseigentumsobjekte nicht einwandfrei und nicht ohne Wertverlust möglich ist.

 

Text: Mag. Matthias Nödl, Ing. Mag. Julia Mörzinger

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Kategorie: Bau & Recht