Das Urheberrecht des Architekten
In der Praxis wird vielfach unter Berufung auf vermeintliche Leitentscheidungen des Obersten Gerichtshofes die Meinung vertreten, das Werk eines Architekten sei jedenfalls urheberrechtlich geschützt. Dies ist in vielen Fällen ein Irrglaube.
Nach dem Urheberrechtsgesetz (UrhG) genießen nur Werke urheberrechtlichen Schutz, die eine eigentümliche geistige Schöpfung auf den Gebieten der Literatur, der Tonkunst, der bildenden Kunst und der Filmkunst darstellen. Zu den Werken der bildenden Künste zählen ausdrücklich auch Werke der Baukunst. Allerdings – und da scheiden sich in der Praxis die Geister – ist nicht jedes Werk eines Architekten ein Werk der Baukunst!
Insbesondere aus zwei Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes, die als „Flughafen Wien“-Entscheidung und als „Hundertwasserhaus“-Entscheidung bekannt sind, hat die Praxis vielfach die
Schlussfolgerung gezogen, dem Werk eines Architekten käme jedenfalls Urheberrechtsschutz zu. Diese Schlussfolgerung ist rechtlich verfehlt und auf eine glatte Fehlinterpretation dieser beiden Entscheidungen zurückzuführen. Dabei wird nämlich unberücksichtigt gelassen, dass sich die „Flughafen Wien“-Entscheidung gar nicht auf das Urheberrecht des Architekten beruft. Und bei der „Hundertwasserhaus“-Entscheidung steht augenscheinlich die Baukunst, also die richtungsweisende, einzigartige und exemplarische Gebäudegestaltung im Vordergrund.
Wo Baukunst beginnt und wo sie aufhört, lässt sich nicht so ohne Weiteres beurteilen. Lehre und Rechtsprechung liefern dafür nur unbestimmte Anhaltspunkte, die aber zumindest eine gewisse Indikation in die eine oder andere Richtung ermöglichen. Besteht die Aufgabe des Architekten nur darin, Vorgaben und Erfordernisse der Bautechnik zeichnerisch/planerisch zweckmäßig umzusetzen, ohne dabei künstlerisch tätig zu werden, wird das daraus resultierende Bauwerk eher nicht als Werk der Baukunst, sondern eher als Werk der Bautechnik zu werten sein.
Ein Werk der Baukunst liegt erst dann vor, wenn der Architekt das von ihm zu planende Bauwerk über die bloß zweckbezogene technische Konstruktion hinaus kreativ und künstlerisch gestaltet – das Bauwerk muss also eine gewisse Einzigartigkeit hinsichtlich Gestaltung und/oder technischer Innovation aufweisen, andernfalls ist das Bauwerk als „Massenprodukt“, als Werk der Bautechnik, nicht aber als urheberrechtlich geschütztes Werk der Baukunst zu werten; dies setzt insbesondere voraus, dass der Architekt die an ihn gestellte Planungsaufgabe überhaupt auf technisch verschiedene Art und Weise lösen kann.
Bauwerke haben grundsätzlich immer technische Vorgaben bzw. einen bestimmten Zweck zu erfüllen. Der Gestaltungsspielraum des Architekten ist deshalb von vornherein beschränkt. Ob im jeweiligen Einzelfall Baukunst vorliegt oder nicht, ist davon abhängig, ob und inwieweit der Architekt den ihm, aufgrund der technischen Vorgaben, zur Verfügung stehenden Gestaltungsspielraum künstlerisch bzw. kreativ ausnützt.
Dies kann auch dazu führen, dass nur der Teil eines Bauwerkes urheberrechtlich geschütztes Werk der Baukunst ist. Dies ist etwa der Fall, wenn das Bauwerk grundsätzlich keinen künstlerischen/kreativen Fokus hat, sondern sich Form und Funktion allein an bautechnisch zweckmäßigen Gegebenheiten orientieren, aber z. B. eine originelle Fassadengestaltung, einen künstlerischen Torbogen, einen einzigartig gestalteten Treppenaufgang etc. aufweist. Geschützt ist diesfalls nicht das gesamte Bauwerk, sondern nur die Fassadengestaltung, der Torbogen bzw. der Treppenaufgang.
Liegt tatsächlich ein Werk der Baukunst vor, ist grundsätzlich nicht nur das Bauwerk selbst urheberrechtlich geschützt. Vielmehr fallen dann auch die Pläne, Modelle, Zeichnungen, Ansichten und Nutzungskonzepte unter den Urheberrechtsschutz, wenn sich darin bereits der Charakter bzw. die individuellen Züge des Bauwerks zeigen. Selbst die vom Architekten erstellte Leistungsbeschreibung ist unter diesem Gesichtspunkt geschützt. Die Idee als solche ist nicht geschützt. Vielmehr muss sich die Idee nach außen hin, z. B. in einem Entwurf, manifestieren. Auch der Stil des entworfenen Bauwerks ist nicht schutzfähig. Schutz genießt nur der Gegenstand, der den Stil prägt.
Das Urheberrecht des Architekten ist – anders als jenes eines sonstigen bildenden Künstlers – stark eingeschränkt. Bei Werken der Baukunst steht das Urheberpersönlichkeitsrecht im Vordergrund, also das Recht des Architekten als Urheber des jeweiligen Bauwerks genannt zu werden (z. B. via Hinweistafel am Bauwerk, durch entsprechende Beschriftung der Pläne, Modelle etc.). So kann der Architekt etwa den Nachbau seines Werks (oder von Teilen davon) oder die Verwendung seiner Pläne, Modelle etc. durch Dritte nicht verhindern. Er kann dafür aber ein angemessenes Entgelt verlangen. Auch kann er verlangen, dass der Errichter und Eigentümer des nachgebauten Bauwerks eine Urheberbezeichnung am Bauwerk anbringt.
Das Urheberrecht ist im Übrigen als solches nicht übertragbar, weil der Schwerpunkt des Urheberrechts auf dem personenrechtlichen Inhalt (Urheberpersönlichkeitsrecht) liegt. Allerdings kann ein Architekt einzelne vermögenswerte Rechte aus dem Urheberrecht (sog. Werknutzungsrechte) an Dritte übertragen. Dabei stehen in der Praxis das Recht, das Gebäude nachzubauen, und das Recht, die Planunterlagen – allenfalls für weitere Bauvorhaben – zu verwenden und zu verwerten, im Vordergrund. Diese Rechte werden regelmäßig an Auftraggeber übertragen. Das Urheberrecht ist zudem vererblich. Es ist daher legitim, dass Erben oder sonstige Rechtsnachfolger nach dem Tod eines Architekten dessen Urheberrechte gegen den Errichter bzw. Eigentümer des Bauwerks (z. B. im Falle der Änderung oder des Nachbaus eines Bauwerks) geltend machen.
Zu beachten ist, dass der Urheberrechtsschutz des Architekten einer Veränderung des Bauwerks nicht entgegensteht. Ein Architekt kann als Urheber eines Bauwerks weder eine Änderung des Bauwerks untersagen noch verlangen, dass das geänderte Bauwerk abgetragen, umgebaut oder ihm überlassen wird. Vielmehr kann der Architekt bei Änderung des Bauwerks vom Errichter und Eigentümer des Bauwerkes nur die Beschilderung des Bauwerks dahin gehend verlangen, dass die Änderung des Bauwerks nicht vom Urheber des Werkes herrührt und dass eine darauf befindliche Urheberbezeichnung beseitigt oder berichtigt wird.
Angesichts der unklaren Rechtslage zur Frage, wann überhaupt ein Werk der Baukunst vorliegt, und der eingeschränkten gesetzlichen Urheberrechte des Architekten kann man für die Praxis nur empfehlen, insbesondere die Rechte betreffend
- die vom Architekten erstellten Pläne, Modelle etc. und deren Verwendung,
- den Nachbau und/oder die Veränderung des Bauwerks,
- die Urheberbezeichnung am Bauwerk bzw. auf den Plänen, Modellen etc. sowie
- die Rechtsfolgen im Falle des Zuwiderhandelns
für den jeweiligen Planungsauftrag möglichst klar und umfassend vertraglich zu regeln.
Text:©Mag. Matthias Nödl
Kategorie: Bau & Recht