Auf Holz bauen
Lange Zeit brachte man mit Holzarchitektur alles andere als Attribute wie zukunftsorientiert und innovativ in Verbindung. Vielmehr dachte man an die traditionelle Architektur des Bauernhauses, historische Fachwerkbauten oder das Schweizer Chalet. Doch dieses Bild hat sich gewandelt.
Bauen mit Holz – Wege in die Zukunft
Dies zeigt die Ausstellung „Bauen mit Holz – Wege in die Zukunft“ des Architekturmuseums TU München und des Fachgebiets Holzbau der TU München deutlich. Nachdem sie zuvor in der Pinakothek der Moderne zu sehen war, brachte die Firma proHolz die Ausstellung jetzt in adaptierter Form ins Künstlerhaus nach Wien, um auch dort einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln, welche ökologischen, technischen und gestalterischen Potenziale das Material Holz bietet. 30 realisierte Architekturprojekte zeigen anhand nachgebauter Modelle die Bandbreite zeitgemäßer Holzkonstruktionen. Diese reichen von öffentlichen Bauten und mehrgeschossigem Wohnbau über weit gespannte Tragwerke bis hin zum Hochhausbau.
Auf ihrem Vormarsch in den letzten Jahren kam der Holzarchitektur sicher die wachsende Relevanz von Klimaschutz und Schonung der Ressourcen im Bauwesen zugute. Schließlich stammt der Begriff Nachhaltigkeit aus der Forstwirtschaft und die Fakten bestechen: Während die Wälder wachsen, entziehen sie der Atmosphäre durch Fotosynthese klimaschädliches Kohlendioxid und liefern gleichzeitig lebensnotwendigen Sauerstoff. In einem Kubikmeter Holz ist ungefähr eine Tonne CO2 gespeichert.
Weingut Perez Cruz, Paine/RCH, José Cruz Ovalle
Wenn das Holz verbaut wird, verlängert sich dieser Effekt um die Lebensdauer des Gebäudes und am Ende des Materiallebenszyklus kann es sogar noch thermisch genutzt werden und gibt dabei nur soviel CO2 frei, wie es ursprünglich gebunden hat. Während der Bestand der bewaldeten Flächen auf der Erde insgesamt zwar sinkt, wächst der Wald in Österreich und das nicht zu knapp. Alle 40 Sekunden wachsen hier 40 m3 Wald, was ungefähr der Menge Holz entspricht, die zum Bau eines durchschnittlichen Einfamilienhauses benötigt wird. Würde man selbst den gesamten Hochbau eines Jahres in Holz errichten, würde man immer noch lediglich ein Drittel des jährlichen Holzzuwachses benötigen. (2008 wurden in Österreich beispielsweise 1,4 Millionen Kubikmeter Holz verbaut. Addiert man zu den dadurch gespeicherten 1,4 Millionen Tonnen CO2 noch die 1,7 Millionen Tonnen CO2, die durch die Substitution von anderen Materialien wie Stahl oder Beton gespart wurden, ergibt sich eine Verringerung von 3,1 Millionen Tonnen CO2 in der Atmosphäre. Das entspricht der Jahresemission von 2 Millionen durchschnittlichen Kraftfahrzeugen.
Aber auch aus ökonomischer Sicht spricht alles dafür auf Holz zu setzen. Derzeit bietet die Wertschöpfungskette Forst-Holz-Papier rund 300.000 Menschen in Österreich ein Einkommen. 4 Prozent des österreichischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) werden in diesem Sektor erwirtschaftet und nach dem Tourismus ist die österreichische Holzwirtschaft der größte Aktivposten des österreichischen Außenhandels.
Neben ökologischen und ökonomischen Aspekten sind es jedoch vor allem die technischen Errungenschaften, die für den angetretenen Siegeszug des Holzbaus verantwortlich sind. Anhand EDV-gestützter Methoden lassen sich heute komplexe Formen entwickeln und berechnen. Digital gesteuerte Maschinen machen es möglich, auch ungewöhnlich geformte Bauteile wirtschaftlich zu fertigen. Herausragende Beispiele dafür sind etwa die Monte Rosa Hütte in Wallis (CH) oder das Betriebsrestaurant mit Auditorium des Konzerns Trumpf in Ditzingen (D). Inwiefern die Weiterentwicklung des Materials Holz zu neuen ästhetischen Ausdrucksformen führt, zeigen besonders die Gebäude Weingut Pérez Cruz (Chile), die Yusuhara Town Hall (JP) oder die Reiterhalle St. Gerold (A).
Yusuhara Town Hall, Yusuhara/J, Kengo Kuma & Associates
Der hohe Grad an Vorfertigung und die Möglichkeit einer schnellen, sauberen und störungsarmen Montage vor Ort macht den Baustoff Holz besonders für eine zentrale Herausforderung der Zukunft äußerst interessant, nämlich das Bauen im Bestand.
Bei den vielen bestechenden Argumenten für den Einsatz von Holz im Bauwesen stellt sich die Frage, warum die neusten Errungenschaften der Holzbauweise im städtischen Wohnungsbau hierzulande so lange auf sich warten ließen. Die Antwort darauf ist in der Gesetzgebung zu finden. Internationale Prestigeprojekte für Holz im mehrgeschossigen Bauwesen wurden bereits öfter von der österreichischen Holzbauindustrie verwirklicht. In Österreich selbst wurden allerdings erst mit der Techniknovelle 2007 alle notwendigen Rahmenbedingungen festgelegt, die den Einsatz des Rohstoffs Holz auch in der Gebäudeklasse 5 (bis zu sieben Geschossen) möglich machen. Mittlerweile steht das erste siebengeschossige Wohngebäude in Holzbauweise gerade kurz vor seiner Vollendung. Die Wohnanlage Wagramer Straße, Wien 22 ist das Ergebnis des Bauträgerwettbewerbs „Holzbau in der Stadt“, aus dem die Architekturbüros Hagmüller Architekten und Schluder Architektur als Sieger hervorgingen. In nur 5 Monaten wurden hier 6 Geschosse in BBS Brettsperrholz (Binder Brettsperrholz) auf ein Erdgeschoss in Massivbauweise aufgesetzt. Der bis dato höchste Wohnbau in massiver Holzbauweise Österreichs umfasst 101 Wohnungen. In den verbauten 2400 m3 Brettsperrholz werden etwa 2400 Tonnen CO2 gespeichert, was einer Jahresemission von ca. 1630 Mittelklassewagen entspricht. Die Fertigstellung des Projekts ist mit Frühjahr 2013 geplant.
Neue Monte Rosa Hütte, Wallis/CH, ETH Studio Monte Rosa, Bearth & Deplazes Architekten
Kategorie: Kolumnen, Sonderthema