Alpenhotels – Lernen von der Geschichte
Kaiser Karl der Große veranlasste die Kirchen und Klöster zur Erbauung von Hospizen, in denen Pilger und Reisende Unterkunft und Verpflegung erhielten. Neben solchen für die Verpflegung von Alten und Kranken entstanden zahlreiche Hospize entlang wichtiger Verkehrsverbindungen, wie etwa Gebirgspässen, und übernahmen dort zugleich die Funktion von Poststationen für Pferdewechsel. Viele Hotelanlagen im Hochgebirge gehen auf derartige Hospize zurück.
„Ancien hospice du Simplon“, Ansichtskarte, 1925, ©SLA**
1922 begannen die ersten Überlegungen einer Verkehrsverbindung über die Hohen Tauern. Mehrere Treffen und Konferenzen fanden zu diesem Thema statt und bei einer (1924) nahm auch der damalige Kärntner Landesbaurat Franz Wallack teil. Er erhielt im Zuge der Gespräche den Auftrag zur „Erstellung eines generellen Projektes“ für die spätere Großglockner Hochalpenstraße (GGHAS). Hotelanlagen wurden bereits damals im Bauprogramm verankert, und zwar „eine Hotelgruppe mit 800 Betten auf der Südseite der Straße am Kasereck, ein Hotel mit 200 Betten auf der Nordseite am Piffkar und eine Schutzhütte mit 50 Betten in der Scheitelstrecke bei der Fuscherlacke. Alle Bauplätze liegen vollkommen lawinensicher“. Später kam ein vierter Bauplatz dazu und mit der Stichstraße zur Franz-Josefs-Höhe (FJH) wurde ein weiterer, fünfter Bauplatz gewonnen.
Kaiser Franz Josef Haus vor Pasterze, um 1920, ©Archiv GROHAG*
Wallack unternahm mehrere Studienreisen über die wichtigsten schweizer, italienischen und französischen Alpenstraßen und -pässe und erarbeitete genaue Unterlagen über Straßenbeschaffenheit, Breite, Tunnels, Begrenzungen etc. und er legte auch umfangreiche Dossiers über Hotelbauten in den Alpen an. Von 1930 – 1935 wurde die Großglockner-Hochalpenstraße mit allen Nebenanlagen nach den Plänen Wallacks und unter seiner Bauleitung errichtet. Er lässt viele seiner Untersuchungen, Aufzeichnungen und Überlegungen in das Bauprojekt einfließen. Diese erscheinen aus heutiger Sicht als Mustervorgaben einer der Nachhaltigkeit und Effizienz verpflichteten architektonischen Haltung. So meint er zum Beispiel in Bezug auf Stromversorgung bei den angesprochenen Hotelbauplätzen: „Aus Gründen der Beeinträchtigung des Landschaftsbildes sowie der häufigen Wetterstörungen (…) ist die Anlage langer Freileitungsstrecken in diesen Höhen nicht zu empfehlen, daher eine Eigenanlage vorzuziehen.“ Ein Weitblick, der heute bei Bauprojekten oft vermisst wird. Die Wetterkapriolen hätten wir ja mit der heutigen Technik vielleicht im Griff, aber das Argument mit der Landschaft …?
Franz Wallack, um 1930, ©Archiv GROHAG*
In seinem ersten Technischen Bericht von 1924 macht er zur Ausführung der projektierten Hotelanlagen anfangs lediglich sehr allgemeine Bemerkungen und spricht nur von der möglichsten Anpassung an den Charakter der Landschaft. In den Aufzeichnungen seiner 1925 unternommenen Studienreise wird er dann detaillierter und er erarbeitet sich Aufzeichnungen, die in ihrer Ausführlichkeit und Dichte bis dahin beispiellos sind; mit ihnen gelangt er zu wegweisenden Kriterien für das Bauen in den Alpen – von der Straße bis zum Hotel. Seine Vorgaben gliedern sich interessante Kriterien über/für Alpenhotels: Sie gliedern sich nach Lage, Bauweise und Größe, Einrichtung und Ausstattung, Zimmerpreisen sowie Benützungsdauer und Frequenz.
Ursprünglich ging man bei der Planung vom sogenannten „klassischen Sommerfrischler“ aus, dieser bleibt üblicherweise drei Wochen am selben Ort. Aus den systematischen Auswertungen seiner Fahrten kristallisierten sich jedoch die „mobilen Touristen“ heraus – die bleiben nur noch 2 Nächte und so musste für die mittlerweile fünf projektierten Bauplätze ein neuer Typ des Alpenhotels gefunden werden.
Die Grundlage hierfür bildeten die 1925 von Wallack formulierten Parameter für Hotelbauten entlang der GGHAS, die später im Hotel auf der FJH baulich umgesetzt wurden und sich noch heute durch erstaunliche Aktualität auszeichnen. Doch alle seiner Kriterien und Anregungen sind heute gültig und im Lichte der stattfindenden Diskussionen über Klimawandel, Ökologie und Umweltschutz in mancher Hinsicht visionär.
Entwurf für ein Alpenhotel am Nassfeld an der Großglockner Hochalpenstraße, Grundriss des zweiten und dritten Obergeschosses, Hermann Stiegholzer, 1926, ©Archiv GROHAG*
Seine Aufzeichnungen zur Bauweise von Alpenhotels zeugen von großem Sachverstand, Rationalität und Beobachtungsgabe: Mit wenigen Ausnahmen sind alle Hotels an Alpenstraßen Steinbauten, solide gebaut, mit hölzernem Dachstuhl und feuersicher eingedeckt. Besonders in höchsten Lagen sollten Fenster gegen Sturm, Regen und Schnee mit Holz- oder Blechläden zu verschießen sein. (Natürlich gab es damals noch keine Möglichkeiten von Verglasungen in den heute üblichen Ausmaßen. Die von Wallack beobachteten Fensterläden werden für ihn jedoch ein wichtiges funktionales und ästhetisches Motiv.) Besonders Augenmerk ist bei allen Eingängen auf Windfänge gelegt und sind die Außentüren und Tore alle nach innen zu öffnen. Ebenso sind die Eingänge einen Meter (mindestens) über dem Terrain gelegen. Das für Fenster, Türen und Stöcke verwendete Holz wird mit großer Sorgfalt ausgewählt und nur langsam wachsendes Bergholz, möglichst aus der gleichen Gegend, in der das Hotel steht, verwendet. Deckenkonstruktionen sind meist aus Holz ausgeführt, nur sehr große Räume zeigen fallweise Eisenbetondecken. Das Mauerwerk ist mit glattem Verputz versehen, jeder unnötige Vorsprung und komplizierte Gesimse vermieden um der Witterung möglichst wenig Angriffspunkte zu bieten. Für Keller sind keine Baugruben auszuheben, sondern Unebenheiten des Terrains zu verwenden. Es erübrigt sich, diese Aussagen zu kommentieren. Für die aktuelle Bauforschung und Architekturgeschichtsschreibung sind seine minutiösen Beschreibungen von einigen der damals bedeutendsten Hotelanlagen im Alpenraum von unschätzbarem Wert.
„Großglockner Hochalpenstraße, Dr. Franz Rehrl Haus am Fuschertörl 2428 m“, Ansichtskarte, um 1950, ©Archiv GROHAG*
Die im Zuge der Errichtung der GGHAS projektierten Hotels wurden aus unternehmerischer und wirtschaftlicher Hinsicht aus dem Straßenbauprogramm ausgeschieden. Es fehlten sowohl Geldgeber für den Bau als auch Interessenten für den Betrieb. Die heutigen an der Straße liegenden Bauten gehen zum Teil auf Strukturen zurück, die schon vor dem (Aus)Bau der Straße existierten. Im Archiv der Großglockner Hochalpenstraßen AG liegen mindestens neun Entwürfe für mehr als fünf verschiedene Standorte entlang der Straße, die nicht weniger als sieben österreichische und deutsche Architekturbüros als Autoren haben und zwischen 1926 und 1940 eingereicht wurden. Die Entwürfe werden derzeit im Rahmen einer Dissertation an der TU Wien, Forschungsbereich Kunstgeschichte, untersucht. Nur eines der Projekte wurde tatsächlich ausgeführt und soll hier kurz beschrieben werden.
„Hotelbauplatz Franz-Josefs-Höhe“, Lageplan mit Straßenprofilen und Lichtbildern, Franz Wallack, 1925 ,
©SLA, Generelles Projekt, 1925**
1936 wurde ein – auf einem von Wallack vorgesehenen Bauplatz – Hotel errichtet: das Franz-Josef-Haus von Architekt Heinz Rollig (1838 -1978). Es war eine etappenweise Erneuerung und Erweiterung einer – zur Zeit der Eröffnung der Straße – bereits vorhandenen, 30 Jahre alten Schutzhütte. Der Bau wurde 1938 durch den Krieg unterbrochen und 1945 und 1948 fertiggestellt. Sämtliche Fenster ab dem ersten Geschoss verfügten über die von Wallack geforderten Fensterläden. Das endgültig fertiggestellte Franz-Josef-Haus brannte am 21. September 1997 bis auf die Grundmauern ab. Heutige Besucher erleben eine historisierende Rekonstruktion der ursprünglichen Schutzhütte.
Franz-Josef-Haus an der Großglockner Hochalpenstraße, Ansicht gegen den Gletscher und Seitenansicht sowie Grundriss erstes Obergeschoss und Erdgeschoss, Heinz Rollig, 1935. Auf den Grundrissen sind das alte Unterkunftshaus und die 1935 errichtete Terrasse zu erkennen, die in den Umbau einbezogen werden mussten (aus: Das Franz-Josef-Haus am Großglockner, in: Moderne Bauformen, Jg. 36 (1937), S. 241–244).
Franz-Josef-Haus, perspektivische Darstellung, Heinz Rollig, Zustand vor der Erweiterung 1938, o.J.
©Archiv GROHAG*
Franz-Josef-Haus mit Blick auf den Großglockner und die Pasterze, Zustand nach der Erweiterung 1938, o.J.
Archiv GROHAG*
Der Begriff Hotel ist aus dem französischen entlehnt (hôtel) und wurde im 17. Jahrhundert für Beherbergungsstätte verwendet (siehe auch lateinisch „hospitale“). Der Wortstamm bezieht sich auf das lateinische „hospes“, der Gast. Das erste Hotel der Welt mit auch diesem Namen eröffnete angeblich der Friseur David Low im Londoner Covent Garden als „Grand Hotel“ am 25. Januar 1774.
„Hotels an der Großglockner Hochalpenstraße – Franz Wallack und das ideale Alpenhotel“
144 Seiten, br, tw, 4C
ISBN 978-3-903015-07-4
38.- Euro
Text:©Peter Reischer
Kategorie: Architekturszene, Projekte