Architektur und Technik müssen zusammenfließen
Im Jahr 2020 fusionierten die Delta Ziviltechniker GmbH Wien und die Architekt Podsedensek ZT GmbH und schufen damit Delta Pods Architects, eine starke Architektursparte innerhalb der Delta Gruppe. Mit einem Team von über 150 Fachkräften an Standorten in Österreich, Tschechien, der Slowakei und der Ukraine hat sich das Büro als multidisziplinärer Akteur in der Baubranche etabliert. Seit 2022 führt Klaus Ransmayr, der auf internationale Erfahrungen in New York und Berlin zurückblickt, als Head of Design die Vision des Unternehmens weiter. Im folgenden Interview spricht er über die Beweggründe und Ziele der Fusion, den Anspruch an komplexe Architektur sowie die Herausforderungen der Branche in Zeiten von Klimawandel und nachhaltigem Bauen.
Wie ist es zu dem Zusammenschluss der Delta ZT und Architekt Podsedensek ZT gekommen, welche Strategie verfolgt die Delta Gruppe damit?
Delta wurde ursprünglich aus dem Zusammenschluss eines Architekten, eines Baumeisters und eines Betriebswirts gegründet. Der Ruf der Delta Gruppe hat sich aber hauptsächlich auf die Generalplanung und das Baumanagement beschränkt. Vor einigen Jahren kam dann der Wunsch der Geschäftsführung, die Architektur als Marke zu verstärken. Ein Schritt in die Richtung war der Zusammenschluss mit dem Architekturbüro Podsedensek ZT in Wien und die Umbenennung in Delta Pods Architects. Die Standorte Wien, Wels und Slowakei wurden 2024 unter Delta Pods Architects zusammengefasst.
Was hat sich durch die neue Firmierung und die neue Architekturmarke geändert?
Die Delta Gruppe und ihre Architektursparte hat oft in Zusammenarbeit mit anderen Architekturbüros gewirkt, die speziell die Frühphase Konzept und Entwurf abgedeckt haben. Wir waren schwerpunktmäßig die klassischen ausführenden Architekten. Wir können nun Projekte in allen Leistungsphasen in hoher Qualität abdecken. Durch das Büro Podsedensek kam überdies eine starke Expertise in der Laborplanung hinzu. Damit sind wir bei Pharma, Life Science und Healthcare sehr gut aufgestellt.
Beim LSCC, einer Pharma-Life-Science-Produktionsstätte für Boehringer Ingelheim in Wien, mussten hochkomplexe technische Prozesse mit der Architektur koordiniert werden. © Boehringer Ingelheim RCV GmbH & Co KG
Wie fiel da die Wahl auf Architekt Podsedensek?
Wir hatten mit dem Architekturbüro Podsedensek sehr viele Überschneidungspunkte in der Herangehensweise und der Haltung. Dazu kam, dass wir die Chance hatten, erfahrene Mitarbeiter:innen zu gewinnen und neue Geschäftsfelder zu erschließen.
Ihr Architekturanspruch lautet „komplex und multidimensional“. Was ist damit gemeint?
Das ist für uns deswegen relevant, weil wir oft sehr komplizierte Projekte mit Verwebung technischer und architektonischer Aspekte betreuen. Beispielsweise hat das Büro Podsedensek für Boehringer Ingelheim das LSCC, eine biomedizinische Produktionsanlage im Großmaßstab, geplant. Das sind hochkomplexe technische Prozesse, die man mit der Architektur koordinieren muss. Das überfordert kleine Architekturbüros. Multidimensional bedeutet auch, unterschiedliche Stakeholder zusammenzuführen.
Was muss Architektur heute leisten?
Wie der Dirigent bei einem Orchester versucht der Architekt, alle auf eine Ebene zu bringen, zu vermitteln und steuern. Nicht zu intensiv einzugreifen, sondern jedem den Freiraum zu geben und die gemeinsamen Interessen durchzusetzen, die ein stimmiges Bild ergeben. Gerade bei komplizierten Projekten darf sich der Architekt nicht allein als Kreativer positionieren, der nur die gestalterische Perspektive vertritt, sondern er muss verstehen, wo er welchem Teilgebiet Raum verschaffen muss.
Der Campus Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Ried ist der erste Holzbau, der mit heimischer, schadstofffreier BauBuche realisiert wurde. © Schreyer David
Auf Ihrer Website sprechen Sie Begriffspaare wie Architektur & Technik, Design & Usage, Footprint & Life Cycle an. Was ist damit gemeint?
Für uns ist es wichtig, dass die Technik immer der Aufgabe angemessen zum Einsatz kommt. Wir sind keine Fans von künstlich aufgerüsteten Gebäuden oder davon, dass man mit Technik alle Probleme löst. Deshalb müssen Architektur und Technik zusammenfließen und von Anfang an gedacht werden. Wir versuchen zu verstehen, welche technische Lösung für die Bauaufgabe die richtige ist. Design & Usage geht in die ähnliche Richtung. Delta Pods Architects haben sicher keine wiedererkennbare Architektursprache, wir versuchen, ein Design zu entwickeln, das der Nutzung des Gebäudes am besten entspricht. Ich glaube, die Zeiten, wo man ein Gebäude von Zaha Hadid oder Coop Himmelb(l)au am Aussehen erkennt, sind vorbei. Was Footprint & Life Cycle betrifft, eine eigene Abteilung beschäftigt sich bei uns mit den Themen Kreislaufwirtschaft, Zertifizierungen, Energiekonzepte. Man muss sich bewusst sein, dass mit der Neuplanung eines Gebäudes immer ein größerer Footprint hinterlassen wird, als wenn ich überlege, wie ich aus einem Bestandsgebäude die Qualität herausholen kann, die auch die Anforderungen des Bauherrn erfüllt.
Wie sehen Sie den Trend zu Lowtech-Gebäuden?
Ich finde das sehr intelligent, weil man durch aktive Maßnahmen, wie beim Verhältnis von opaker zu transparenter Fassadenfläche, bei der Orientierung des Gebäudes, beim Verhältnis Außenfläche zu Volumen, den höchsten Einfluss auf die Performance haben kann. Das fasse ich als Lowtech auf.
Elisabethinen Wien-Mitte: Auf einer Fläche von 30.000 m2 planten Delta Pods Architects ein Zentrum für Menschen im Alter mit zwei Internen Stationen, einer Palliativstation sowie einer Tagesklinik für Akut-Geriatrie angesiedelt. Alle Umbaumaßnahmen erfolgten im laufenden Betrieb. © Schreyer David
Die österreichische Architektenkammer postuliert: „Österreich ist genug bebaut“, ruft also quasi ein Ende des Neubaus aus. Teilen Sie diese Ansicht?
Ich finde diese Aussage richtig, denn wir sind verpflichtet, Bauherren hinzuweisen, dass eine gute Bausubstanz durch eine Umbaumaßnahme aufgewertet werden kann. Man kann auch mit Revitalisierungen tolle Architektur machen und damit Geld verdienen. Für die Pensionsversicherungsanstalt in Wien planen wir gerade ein großes Projekt, wo ein Bau aus den Siebzigerjahren komplett entkernt wird und eine neue Fassade bekommt. In den Rohbau, der bestehen bleibt, ist so viel CO2 eingeflossen, da sehen wir keine Notwendigkeit für einen Neubau. Als Architekt muss man manchmal seine eigenen Bedürfnisse zurückstecken und sagen, es geht auch anders.
Würden Sie für Diktaturen wie Russland oder China bauen?
Wir haben aufgrund unserer Präsenz in der Ukraine natürlich eine klare Stellung, wir vermeiden daher Geschäfte in Russland. Das bezieht sich aber nur auf die Regierung, nicht das Land. Sollte sich dort etwas ändern, ändert sich auch unsere Einstellung dazu. Wir richten auch keinen Fokus auf den Mittleren Osten und andere Regionen, deren Regime keine Wunschbauherren sind. Kann sein, dass sich das ändert, aber es dürfte kein Projekt sein, das unseren Werten und unserer Haltung zu Nachhaltigkeit widerspricht. Ich würde kein gläsernes Hochhaus in Saudi-Arabien bauen.
Elisabethinen Wien-Mitte © Schreyer David
Wie schätzen Sie die Bedeutung von Architekturwettbewerben ein? Sind offene Wettbewerbe Ressourcenverschleuderung oder eine Notwendigkeit?
Der Großteil unserer Projekte kommt nicht über Wettbewerbe, wir stellen uns dem Wettbewerb aber, weil er ein gesunder Teil der Architekturprofession ist. Man muss jungen Architekturbüros und solchen, die keine Experten auf bestimmten Gebieten sind, auch die Möglichkeit geben, sich zu messen. Daher ist der Einstieg über offene Wettbewerbe ein richtiger. Kritisch sehe ich, wie sich die Wettbewerbswelt in Österreich über die Jahre verändert hat. Die Anforderungen sind in Österreich bei zweistufigen Wettbewerben, wo man zur zweiten Stufe geladen wird, teilweise so präzise, dass man am Ende wieder bei den Büros landet, die ein solches Projekt schon einmal umgesetzt haben. In Skandinavien oder Deutschland bekommt ein kleiner Teil der geladenen Teilnehmer eine Wildcard. So ein Modell würde auch den großen Büros guttun, weil sie sich dann mit den vielen kleinen messen müssten, aus denen oft unglaublich kreative Ideen kommen. Wir haben den Luxus, aufgrund unseres Portfolios bei vielen geladenen Wettbewerben teilnehmen zu dürfen, somit gibt es für uns keine Notwendigkeit, an offenen teilzunehmen. Bei den EU-weit offenen Wettbewerben sind die Anforderungen teilweise so klar definiert, dass die Auswahl eigentlich von vornherein klar ist.
Wo sehen Sie Architektur und die Rolle der Architekten in der Zukunft, auch bezogen auf aktuelle Themen wie den Klimawandel?
In Österreich hat der Architekt die Herausforderung, sich gegen die planenden Baumeister zu behaupten und durch die Qualität seiner Arbeit zu zeigen, dass gute Architektur einen Mehrwert für die Gesellschaft bietet. Das müssen wir unter einem stetig wachsenden finanziellen Druck aufrechterhalten und wir müssen dafür kämpfen, dass die Qualität in einem Projekt so lange wie möglich erhalten bleibt. Und wir müssen uns bewusst werden, dass wir Teil des Klimaproblems sind, weil das Bauen für einen unheimlich großen Anteil an schädlichen Emissionen verantwortlich ist. Aber dadurch sind wir auch wieder Teil der Lösung. Die große Herausforderung ist, mit dem Thema gewissenhaft umzugehen, angemessene Lösungen zu finden, die nachhaltig und wertbeständig sind, und die Bauherren dafür zu sensibilisieren, dass es sich lohnt, hochwertiger zu planen und zu bauen und ein Gebäude von Anfang an so flexibel zu denken, dass es zukünftig mit geringem Aufwand umnutzbar ist und dass es sich lohnt, dafür mehr Geld zu investieren, auch wenn es vielleicht aus heutiger Sicht nicht zwingend notwendig ist.
Interview: Roland Kanfer
Kategorie: Architekten im Gespräch, Kolumnen