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8 architektur FACHMAGAZIN Start Das Phänomen der Obdachlosigkeit ist in den letzten Jahrzehnten zu einer globalen Herausforderung – und zwar nicht nur in Kriegs-, Katastrophen- und den sogenannten Entwicklungsgebieten – geworden. Die Kriterien für Lösungen sind sehr komplex, sie reichen von sozio-psychologischen Herausforderungen bis in das Gebiet der Verwaltung oder die durch die Ungleichverteilung der Güter verursachte ‚Arm-Reich- Schere‘, um nur einige zu nennen. Die meisten der nicht davon Betroffenen sind sich einig, dass man helfen sollte. Und es gibt eine Menge Ideen zur Schaffung von Wohnraum für Obdachlose, wie ein Projekt aus unserem Nachbarland Slowakei zeigt. Wohnen für Obdachlose Das Gregory-Project ist ursprünglich für die Stadt Banska Bystrica geplant, lässt sich aber in jeder anderen Stadt auch realisieren – so auch in Wien. In der Slowakei wie auch hier ist der Stadtraum von technoiden Konstruktionen mit Werbetafeln und Billboards übersät. Ihre Aufstellung ist kostspielig, ihr Unterhalt und die Auslastung durch Werbekunden eine Frage der Konjunktur. Hinter dem Gregory-Project steht der slowakische Architekt Matej Nedorolik. Seine Idee ist es nun, durch eine Optimierung dieser Konstruktionen einen (zumindest temporären) Wohnraum für Obdachlose zu schaffen. Der dreieckige Grundriss der meisten Billboards führte ihn zu der Idee, zwischen den Tafeln eine Ebene und darüber ein Dach einzuziehen. Die erzielte Kubatur wird in zwei Bereiche/ Räume aufgeteilt: eine erhöhte Schlafnische mit darunterliegendem Stauraum und eine Kochnische mit Ess- oder Arbeitsplatz. Zusätzlich eine in die zur Straße zeigende Ecke geschobene Nasszelle mit Dusche und WC und ein kleiner Schrankraum. Die Konstruktion besteht aus Holzpfosten, die auf der ohnehin notwendigen Stahlbetonfundamentierung stehen. Die Stiege in diese Behausung kann aus Holz oder Stahl sein, die gesamte Inneneinrichtung, Wände etc. wieder aus Holz- bzw. Sperrholzplatten. Zwei Fenster zur straßenabgewandten Seite geben das nötige Tageslicht. Er meint, dass nur minimale Erhaltungskosten, die durch die Vermietung der Werbeflächen leicht gedeckt wären, entstehen. Wasser- und Stromanschlüsse gibt es heutzutage fast überall – diese Infrastruktur ist logischerweise dort, wo Werbeflächen stehen ohnehin vorhanden. Wenn man die Stromkosten, die notwendig sind, um diese Billboards während der ganzen Nacht zu beleuchten, ausrechnet, wird man wahrscheinlich herausfinden, dass eine geringe Optimierung, oder eine stundenweise Abschaltung während der Nachtstunden - das würde gleichzeitig weniger Umweltverschmutzung durch die Reduzierung des Lichtsmogs mit sich bringen – bereits die Kosten für den Innenausbau und die Materialien refinanziert. Die Größe der Anzeigenflächen ändert sich nicht, allein eine Stiege wird zum Betreten des Wohnbereichs zwischen den Tafeln benötigt. Fotos: Gregory-Project Finanzieren ließe sich diese Unterkunft für Obdachlose natürlich auch über Firmen und Sponsoren, die ihre Logos oder Sonstiges auf den Werbeflächen anbringen können. Ebenso über eine Verlinkung des Logos des Gregory-Projectes auf die eigene Webseite. Der Mehrwert für Beteiligte liegt in der Involvierung in ein soziales Unterfangen, etwas, das gerade heute immer mehr ins Bewusstsein der Öffentlichkeit tritt.


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