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94 architektur FACHMAGAZIN Licht Architectural Lighting und Masterpläne Für die allermeisten von uns ist künstliche Beleuchtung in der Nacht selbstverständlich, vor allem im urbanen Raum. Erst in abgelegenen Gegenden oder bei einem Stromausfall wird uns das bewusst. Doch nicht nur das sogenannte Funktionslicht, wie etwa die Straßenbeleuchtung, erschafft den nächtlich wahrgenommenen Lichtraum, er setzt sich aus mehreren Elementen zusammen, die immer im Kontext gesehen werden müssen: Straßenbeleuchtung unterstützt die Orientierung und bringt Sicherheit, Architektur- und Effektbeleuchtung sprechen die Identität und das Selbstverständnis der Menschen an. Und letztlich tragen auch Autoscheinwerfer mit ihrer Bewegung, Schaufenster und Werbeschilder ihren Teil zum Gesamtbild bei. Nightscape Tag und Nacht unterscheiden sich grundlegend: Tagsüber ist die Sonne unsere primäre Lichtquelle – manchmal von oben scheinend, manchmal auch horizontal. Sie ändert langsam ihre Lichtfarbe vom warmen Morgenlicht über das kühle Licht zu Mittag und wieder zurück zum warmen Licht des Sonnenunterganges. Nachts kommt das einzig natürliche Licht vom Mond und den Sternen – abgesehen von bei uns sehr seltenen Nordlichtern. Weder Sonne noch Mond machen einen Unterschied zwischen den verschiedenen Objekten und ihrer Bedeutung für uns. Der Begriff Nightscape, geprägt vom französischen Lichtdesigner Roger Narboni, beschreibt diese grundsätzlich verschiedene Welt, in die wir nach Sonnenuntergang eintreten, sehr gut. In vielen Kulturen haben Nacht und Dunkelheit eine mystische Funktion. Es ist nicht nur ein physischer Raum, vor allem ist es ein Erfahrungsraum. Eine Zeit der Erholung und der Ruhe, aber auch eine Zeit, in der wir in Kontakt mit tieferen Ebenen unserer Existenz kommen. Dieser dunkle Raum erlaubt es dem Lichtgestalter – anders als im omnipräsenten Tageslicht – zu entscheiden, was gezeigt wird und was nicht, wo man die Dunkelheit belässt und wo Licht platziert wird. Der Vergleich mit Bühnenbeleuchtung liegt nahe. Diese ist ja ein mächtiges Werkzeug zum Evozieren und Lenken von Emotionen und Aufmerksamkeit – eine Theaterbühne wird in der Regel aber nur von einer Seite betrachtet. Die Herausforderung liegt also darin, Licht-Raum zu denken. Ein guter Lichtdesigner ist in der Lage, einen nächtlichen Raum zu erzeugen, der angenehm zu durchqueren ist und in alle Richtungen funktioniert. So können Gebäude und andere Elemente als Landmarks genutzt werden, die uns auf subtile Weise führen und unsere Aufmerksamkeit lenken. Text & Fotos: podpod design


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