6 architektur FACHMAGAZIN Start Was bleibt? Architektur, Wissenschaft und Philosophie Dieser Frage ging man vor einigen Wochen in einem Symposium mit Architekturschwerpunkt der Gmundner Festwochen am Traunsee nach. Zum besseren Verständnis sei erwähnt, dass sich diese Veranstaltung in den letzten Jahren hauptsächlich mit Literatur befasst hat. Heuer wagte man zum ersten Mal den Sprung in ein anderes Format mit anderem Inhalt – nämlich die Beschäftigung mit der Architektur. Mit der Geschichte der Festwochen ist auch der relativ große Anteil an Literaten, Publizisten und Journalisten unter den Vortragenden (Stefan Zweifel, Franz Schuh, Thomas Macho und Robert Pfaller) dieses Symposiums zu begründen. Umso erfreulicher war die Teilnahme von Personen, wie dem Quantenphysiker Anton Zeilinger, Künstler Karl-Heinz Ströhle und den Architekten Dietmar Eberle, Elsa Prohazka, Christoph Wiesmayr und Walter Angonese – das versprach Spannung. Wünschenswert wäre gewesen, wenn der Titel des Events „Was bleibt?“ auch Programm bedeutet hätte. Denn das Symposium begann einen Tag nach dem sogenannten „Welterschöpfungstag“ (13. August), jenem Tag, an dem wir auf unserer Erde – beim derzeitigen Verbrauch und Lebenswandel der Zivilisationen – bereits alle zur Verfügung stehenden, erneuerbaren Ressourcen, verbraucht haben. Die Frage nach dem Bleibenden hatte also auch einen aktuellen Bezug. Leider floss diese Aktualität in keiner Weise in die Beiträge ein, außer in der Einführung durch den hervorragenden Moderator Günter Kaindlstorfer. Was bleibt, wird der Normalsterbliche vor allem auf Materielles beziehen, also richtete sich diese spezifische Sicht der Frage an die Architekten. Viel Neues zum Thema war da nicht zu erfahren, vielleicht liegt das daran, dass Architekten ihre Profession vor allem in der Schaffung von Neuem betrachten? Eberle sprach von einer Unterbewertung des öffentlichen Raumes zugunsten des Privaten und befasste sich ausführlich mit einer Interpretation von „form follows function“ (Louis Sullivan), Elsa Prohazka analysierte u. a. das „Wittgensteinhaus“ und war gegen zu viel Text: Peter Reischer Denkmalschutz. Angonese plädierte für Zwischenräume zum Weiterdenken. Anton Zeilinger war eine Kategorie für sich. Objektiver und subjektiver Zufall, Kausalketten und die Chaostheorie, ... – ach ja, Schrödingers Katze‘ kam auch vor. Er betonte, dass das Bleibende das Rationale sein müsse, und war der Meinung, dass eine richtig verstandene naturwissenschaftliche Position mit einer richtig verstandenen religiösen Position nicht im Widerspruch stünde. Die Philosophen, Theoretiker und Publizisten legten an jenen zwei Tagen in ihren Vorträgen eine erstaunliche Zitierfreudigkeit an den Tag. Es wimmelte nur so von Freud, Kant, Hegel und vor allem die Berufung auf Nietzsche schien das ‚Um und Auf‘ bei der Frage nach dem Bleibenden zu gewährleisten. Hatten die anwesenden Philosophen (oder die sich dazu berufen fühlten) nichts Eigenes zu sagen? Warum dieses ‚Wühlen‘ in Gräbern, diese Leichenfledderei bei anderen? Mit dem Argument, das Rad nicht neu erfinden zu können, kann man das doch nicht begründen. Zu brisant sind die Themen und Probleme unserer Zeit und auch der Architektur, als dass man als Antwort ständig Nietzsche zitieren kann. Macho brachte mit Vorliebe dystopische Weltuntergangsszenarien zur Sprache, ein großartiger Stefan Zweifel führte in einer atemlos machenden Tour über „idiorrhythmische Luftstiegen“ durch die Geschichte der Surrealisten, Schuh widmete sich u. a. dem Wiener Gemeindebau, Pfaller war Pfaller und Ströhle wollte über Kunst im öffentlichen Raum sprechen, tat es aber nicht, sondern las Kafka. Vor diesem Hintergrund stellt sich überhaupt die Frage nach der Sinnhaftigkeit derartiger Podiumsdiskussionen. Man bringt ein paar Leute zusammen, die nichts miteinander zu tun haben – in Gmunden ist jedenfalls immer Franz Schuh dabei – und hofft, dass sie kontrovers, launig und wortgewaltig über irgendein Thema streiten. Der Zuschauer kann im Anschluss daran nach Hause gehen, es wurde für ihn gedacht. Solche Podiumsdiskussionen sind mit keinerlei Erkenntnis verbunden, denn die Diskutierenden sind – wie viele Menschen – der festen Überzeugung, im Alleinbesitz der Wahrheit zu sein. Somit ist eine Podiumsdiskussion wie der klassische Frontalunterricht in der Schule: Einer spricht, die anderen hören zu und konsumieren. Wenn aus diesem Event ein Nutzen entstehen soll, außer der Selbstbestätigung und dem Honorar für die Vortragenden, müssen sich die Veranstalter überlegen, zum Beispiel das Publikum stärker und aktiver einzubeziehen. Das Format des sogenannten „World Cafés“ wäre dazu geeignet. Als Moderator der Veranstaltung gab sich Günter Kaindlstorfer redlich Mühe (er hatte sich gut vorbereitet), der oft geistig hochstehenden Ebene der Podiumsdiskussionen nach den Impulsreferaten zu folgen. Allerdings tat auch er sich schwer, den – manchmal – literarischen Parforceritten mancher Teilnehmer, entsprechende Fragen entgegenzustellen. Das Bleibende in Architektur, Wissenschaft und Philosophie war sowohl in der Podiumsdiskussion wie auch in den Impulsreferaten nur sehr schwer auszumachen, einige Beiträge könnte man auch Themaverfehlungen bzw. Verhöhnungen der zahlenden Zuhörer, die das eigentlich nicht verdient hätten, bezeichnen. Denn die Frage, „was bleibt?“, muss man sich auch am Schluss und nach einer derartigen Veranstaltung stellen können.
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