8 architektur FACHMAGAZIN Start Wenn jetzt die Architektur kommt und Passivhäuser, Solarhäuser, Energieeffizienz, Solarpaneele und all diese Dinge präsentiert, dann macht es das Problem sehr konkret. In der Dissonanz ist der Klimawandel ein sehr distanziertes Thema. Etwas, von mir in Zeit und Raum sehr entfernt Wahrgenommenes, auf einer abstrakten Ebene. In dem Augenblick, indem ich ein Solarpaneel auf dem Dach des Nachbarn sehe, oder jemanden in ein Passivhaus hineingehen sehe, sichtbar und persönlich – ändert das die Haltung der Menschen und das führt - hoffentlich – zu einer ambitionierteren Unterstützung für die Politik. Die Menschen haben offenbar kein Wahrnehmungssensorium für langsam herannahende Gefahren? Ja, die Wissenschaftler versuchen das zu überwinden, indem sie aufzeigen, wie schlimm es in 100 Jahren sein wird, wenn wir so weitermachen. Das ist eine Wiederholung von apokalyptischen Untergangsszenarien und Katastrophenandrohungen und das führt nur wieder zu anderen psychologischen Abwehrmechanismen in uns. Es gibt die Barriere der Distanz, die lässt uns eine Gefahr sehr weit weg sehen, sowohl in der Zeit wie auch im Raum und in einer abstrakten Art und Weise. Denn, wenn ein Wissenschaftler sagt: „Oh, wir haben 400 ppm CO2 in der Atmosphäre ...“ Was ist das? Ja, worauf soll ich achten, wovor soll ich mich schützen? Ist das nicht auch ein Informationsmangel? Es ist ein Mangel in der Übersetzung der Informationen in Rahmen, Aktionen und soziale Beziehungen, welche Menschen als nahe und persönlich wahrnehmen könnten. Das ist auch ein Teil der Lösung, die ich in meinem Buch beschreibe: Wie können wir den Klimawandel kommunizieren, um die Leute einzubeziehen, statt sie abzustoßen. Wenn man die Botschaft eines Wissenschaftlers im TV in die Botschaft eines Freundes oder Nachbarn verwandelt, verschiebt man sie aus der Domäne des Wissens in die Domäne der sozialen Normen. Da ist Architektur sehr wichtig und entscheidend. Man kann nichts durch Gesetze und Vorschriften ändern, sondern nur mit der Vorbildwirkung! Genau, dann ist es „bottom up“ statt „top down“. Die Zivilgesellschaft kann die Politik zu Handlungen zwingen. Norwegen hat die größte Dichte an Elektrofahrzeugen auf der Welt. NGOs haben bewirkt, dass die Politik die E-Mobile von der Steuer ausgenommen hat und sie freie Fahrt auf den Busspuren in den Städten haben. Durch diese zwei politischen Aktionen hat sich die Akzeptanz für E-Fahrzeuge verändert. Das ist dann auch ein positives Feedback für NGOs und die Politik. Dasselbe kann auch für Passivhäuser und Ähnliches passieren. Kann durch die Technisierung unserer Welt nicht eine totale Abhängigkeit, von eben dieser Technik, entstehen? Was ist mit dem großen Blackout? Das kann ich mir nicht vorstellen. Weil wir nicht darüber denken wollen (psychologisch gesehen)? Wir sind eine technologische Spezies, wir erschaffen uns die Werkzeuge und diese erschaffen uns. Es ist nicht die Frage, ob die Technologie uns rettet oder möglicherweise zerstören wird, es ist die Frage der Einbeziehung der Technik in unser Lebenssystem. Psychologisch gesehen gibt es in allen Kulturen den Archetyp eines Retters, eines Messias, eines Propheten. Für manche hat die Technik das Image des Retters, sie glauben, dass Technologie alles regeln wird und wir nichts tun müssen. Das ist eine sehr vereinfachte und dualistische Ansicht der Sache. Es gibt kein „Zurück von der Technik“, wir müssen weiter. Wir müssen sie mit unserem Leben, unserer Geschichte verbinden, verweben. In den 60er Jahren, in der Entwicklung der Städte und der (Sub)Urbanität sagte man, das Auto und die Straße sind der Fortschritt – jetzt stirbt diese Geschichte. Welche neuen Geschichten werden uns in der Entwicklung dieses Jahrhunderts beeinflussen? Ich glaube, es werden „grüne“ Technologien sein, Technologien der Verteilung, die eine Redemokratisierung der Energienutzung ermöglichen. Ich versuche, Geschichten herauszuarbeiten, sie nuanciert und psychologisch ansprechend zu gestalten, sodass die Menschen von der, sowohl Fortschritts- wie auch Apokalypse-Story wegkommen können. So soll eine resiliente Gesellschaft entstehen. Wir müssen darüber nachdenken, was genug ist! Vertikale Begrünung, Urban Farming – das sind die Themen der zukünftigen Architektur. Das ist Teil des smarten grünen Narratives, das an so vielen Orten bereits gehandhabt wird.
architektur_316_eMag
To see the actual publication please follow the link above