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3 www.architektur-online.com Editorial Alt & Neu Wissenschaftler haben im Zusammenhang mit der weltweiten Finanzkrise ein sogenanntes ‚Gier-Gen‘ beim Menschen entdeckt. Es kommt angeblich bei 84 Prozent aller Banker vor und nur bei 8 Prozent der normalen Menschen. Der Berufsstand der ArchitektInnen wurde in der Studie nicht untersucht. Wenn nun die Direktorin eines weltweit tätigen Architekturbüros (fast) im Monatsrhythmus Großprojekte in Europa, in China und Übersee entwirft/ankündigt/ eröffnet, gleichzeitig Architektur, Gartenpavillons, Jachten, Türklinken, Brunnen, Vasen, Schmuck, Badeanzüge, Schuhe, Möbel, Autos, Stoffkollektionen etc. entwirft – was ist das dann: noch Architektur oder schon Industrie? Oder der Anspruch auf eine weltweite Designallmacht und -uniformität? Wir Menschen lernen offenbar nicht aus der Geschichte und seit Jahrtausenden gehen wir immer wieder in dieselbe Falle. Dabei wissen wir aber aus der Vergangenheit, dass auch alle antiken Hochkulturen vor ihrem Untergang an sogenannter ‚Dekadenz‘ litten: Dazu gehören Maßlosigkeit, Selbstsucht und Selbstüberschätzung sowie ein ausgeprägter Narzissmus. Mit den Antipoden Vergangenheit und Gegenwart – die ja eine Menge Lehrstoff bieten (könnten) – befassen sich auch die Projekte der ersten Ausgabe 2016 von architektur, denn immer mehr Architekturbüros beschäftigen sich mit Umbau, Umwidmung, Revitalisierung und Restaurierung alter Bausubstanz, statt neu zu bauen: Ein Beispiel, das auch die Spuren der Zeit miteinbezieht und sichtbar zu machen versucht, ist die Installation von Architekt Stefan Hitthaler um den alten Pulverturm in Bruneck, Südtirol. Weltbekannt und berühmt ist die Werkbundsiedlung in Wien. Vor 80 Jahren errichtet, wird sie gerade von den P.GOOD Architekten in einer sehr sensiblen Vorgehensweise restauriert. Dazu ein Gespräch mit den Architekten und mit dem Büro Krischanitz/ Kapfinger, welches die Siedlung vor 40 Jahren zum ersten Mal sanieren durfte. Von den Paredes Pedrosa Arquitectos, Spanien, kommt die Umgestaltung dreier alter Häuser in Oropesa, eingebettet in eine Mauer, zu einem zeitgemäßen Domizil für ein Geschwisterpaar. Die L3P Architekten renovierten in Regensberg, Schweiz, ein altes historisches Fachwerkhaus. Nur die Straßenfassade erinnert noch an das Alte, die anderen Ansichten sind modern und vor allem der Innenraum wurde zu einer Raumskulptur gestaltet. Und in Amsterdam ist in einer ehemaligen Militärkapelle das High End Restaurant ‚The Jane‘ vom Studio Piet Boon gestaltet und designed worden. Mit allem, was dazugehört. Auch die internationalen Magazinbeiträge behandeln fast ausschließlich alte Objekte – neu interpretiert. Da viele derartige Aufgaben auf der ganzen Welt sich auch mit der Neugestaltung und Umwidmung von ehemals sakralen Räumen befassen, widmet sich ein Fachthema der ‚Architektur für die Seele‘. Die Produkt News und ein weiteres Fachthema ‚Farbe‘ sowie Re- und Previews der verschiedenen Messen, die EDV-Kolumne und eine ‚Conversation of Art and Architecture‘ ergänzen diese Ausgabe. Viel Vergnügen bei einer spannenden Lektüre von Österreichs auflagenstärkstem Fachmagazin für Architektur (ÖAK geprüft) wünscht Ihnen Peter Reischer Coverbild: Corpus Intra Muros © Wisthaler Harald Sommer 2016 TRS SONNENSCHUTZ Ihr Partner für innovative Gesamtlösungen. www.trs.co.at


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