architektur FACHMAGAZIN 66 Energieeffizienz Um die Außenhülle zusätzlich gegen die intensive direkte und reflektierte Sonnenstrahlung zu schützen, wurde ein Verschattungsband aus vertikalen Terrakottastäben angebracht. Für zahlreiche Bauteile des Fassadensystems wurden stets mehrere Varianten entwickelt und die Leistungsfähigkeit in wiederholten Simulationen geprüft. Die Optimierungsmaßnahmen des Verschattungssystems gingen so weit, dass das gesamte Gebäude im Zuge des Entwurfsprozesses um 45° gedreht wurde. Durch die nun optimale Südausrichtung des Gebäudes wird der Wirkungsgrad der Schatten spendenden Elemente entscheidend erhöht. Um eine einfache und fachgerechte Ausführung der Gebäudehülle zu gewährleisten, wurde bereits früh im Entwurfsprozess besonderes Augenmerk auf die Berücksichtigung der am Projektstandort verfügbaren Bautechnologie gelegt; mit dem Ziel, Wärmebrücken durch Ausführungsfehler zu minimieren, Kosten zu reduzieren und den späteren Nutzern maximalen Komfort zu bieten. Ebenso wie die Fassade wurde auch die Gebäudetechnik speziell auf das Projekt zugeschnitten. Anders als im winterkalten Mitteleuropa ist in Südchina das besonders energieintensive Kühlen und Entfeuchten der Zuluft im Sommer entscheidend für die klimatische Behaglichkeit im Innenraum. Auch hier ist das Passivhaus-Konzept ausschlaggebend für die Effizienz: Die detailliert geplante, luftdichte Gebäudehülle ist die Voraussetzung für den Einsatz einer geregelten Zu- und Abluftanlage mit einer hocheffizienten Wärme- und Feuchterückgewinnung. Die im Gebäude benötigte, im Sommer jedoch viel zu warme und zu feuchte Frischluft, gibt bereits vor dem Einströmen ins Gebäude einen Großteil ihrer Wärme und Feuchtigkeit an die gleichzeitig aus dem Gebäude herausströmende, kühlere und trockenere, aber verbrauchte Luft ab. Somit bleibt die einmal ins Gebäude eingebrachte Kälteenergie weitgehend im Gebäude und der aktiv einzubringende Energiebedarf reduziert sich beträchtlich. Drei solcher Lüftungssysteme versorgen die unterschiedlichen Bereiche des Gebäudes mit Frischluft. Die zusätzlich benötigte Kälteentfeuchtung wird zentral über zwei Luft-Wärmepumpen auf dem Dach zur Verfügung gestellt und über die Frischluft ins Gebäude eingebracht. Bei Bedarf hat jeder Nutzer für einen begrenzten Zeitraum die Möglichkeit, über in den Appartments installierte Umluftgeräte zusätzliche Kühlleistung anzufordern. Eine auf dem Dach installierte Solarthermieanlage deckt nahezu den gesamten Jahresbedarf an Brauchwasserwärme. Es ist ein Pilotprojekt und zeigt die Potenziale der Passivhaustechnik für China auf. Die Architektur wurde in Deutschland ausführungsreif geplant und hat hierdurch innovative, energiesparende und nachhaltige Baumethoden in China eingeführt. Das fünfgeschossige Gebäude beherbergt auf ca. 2.200 m2 insgesamt 36 Einraumapartments, sechs Zweiraum Executive-Suites sowie vier Dreizimmermusterwohnungen. Die Musterwohnungen sind so angelegt, dass interessierte chinesische Familien darin Probe wohnen können, um ihre eigenen Erfahrungen mit nachhaltigem Wohnen zu sammeln, um die Scheu gegenüber Passivhäusern unter extremen Witterungsbedingungen abzubauen. Die Architekten setzen damit neue Maßstäbe im Bereich der Nachhaltigkeit in Südchina: ‚Passivhaus Bruck‘ ist das erste Wohngebäude, das in der feuchtwarmen, südchinesischen Klimazone mit einer ca. 95 prozentigenigen Energieeinsparung in Betrieb gegangen ist und durch das deutsche Passivhaus Institut in Darmstadt zertifiziert wurde. Das Gebäude wurde im Sommer 2014 fertiggestellt, feierlich eröffnet und mit der Goldmedaille des World Green Design Award 2014 ausgezeichnet. (rp)
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