Page 7

Archi_514_eMag

start Minotaurus im Glaslabyrinth Text: Peter Reischer Wer den berühmten roten Faden der Ariadne hier sucht, irrt. Die Wände dieses Labyrinths sind aus Glas - nichtsdestotrotz kann man sich in seinem Inneren ganz schön verirren. Das von Robert Morris im ‚Nelson-Atkins Museum of Art‘ in Kansas City, aufgebaute Labyrinth ist nicht einmal besonders groß - gerade 16 x 16 x 16 Meter misst die dreieckige Form dieses Irrgartens. Es besteht aus Stahl, Bronze, Stein und gigantischen Glasplatten, diese bilden die Wände des Dreiecks. Das Ganze ist eine 6 Monate dauernde interaktive Installation im Donald J. Hall Skulpturen Park des Museums. Eine einzige Öffnung fungiert sowohl als Eingang wie auch als Ausgang, als Anfang und Ende. Die strukturgebenden, transparenten Glaswände sind so aufgebaut, dass der Besucher in den dreieckigen Raum in der Mitte geleitet wird. Wieder heraus kommt er dann auf demselben Weg. Der Pfad ist aber weder spiralförmig, noch ist es ein Irrgarten im üblichen Sinn. Der Besucher muss - ähnlich wie in traditionellen Labyrinthen - seinen Weg durch das völlig transparente Gebilde manövrieren, um den kleinen Dreiecksplatz im Zentrum zu erreichen. Die Glastafeln blockieren den kontinuierlichen Fluss fordern ständige Richtungsänderungen vom Besucher, führen aber trotzdem hinein und wieder sicher zurück in die Außenwelt. Erbaut ist der Irrgarten auf einem Platz aus Betonplatten. Die 2,15 Meter hohe Glasstruktur wiegt mehr als 400 Tonnen und 80 Arbeiter waren mit dem Aufbau, der so simpel wirkenden Installation, am Gelände beschäftigt. Die 2,5 Zentimeter dicken Tafeln sind an der Oberseite durch U-förmige Metallprofile aus Bronze geschützt und der Zugang zu dem Komplex erfolgt über einen leicht geschwungenen, roten Pfad aus Ziegeln. Die dynamische Skulptur bereitet den Besuchern interessante Erlebnisse, indem sie zu einer Interaktion des Menschen mit dem gläsernen Irrgarten verleitet. Sie hebt Grenzen zwischen Kunst und Natur auf, verleitet zur Beteiligung, zu Partizipation, enthält ein theatralisches Moment und rüttelt auch an den Schranken zwischen Objekt und persönlicher Erfahrung. Auch das Betrachten der umgebenden Natur aus dem Inneren des Labyrinthes durch eine Glaswand, ist ein fast pädagogischer Ansatz, um den Menschen wieder zum Ursprünglichen, zur Natur, zurückzuführen. Glas, ein industrielles Produkt, transparent, fast unsichtbar, trennt oder verbindet Räume. In diesem Fall innen und außen. Der Irrgarten ist nun eine zweite Ebene, auf der sozusagen diese Separation des Menschen von der Natur, das ‚eingesperrt sein‘ in einem selbst geschaffenen Käfig aus Glas, verdeutlicht wird. Durch die Möglichkeit der ‚Innensicht des Außen‘ erweitert der Künstler den Raumbegriff und die Wirkung des Objekts auf die sichtbare Umgebung hin. Robert Morris ist ein amerikanischer Künstler, 1931 in Kansas City geboren. Morris’ Werke aus den Jahren 1955 bis 1959 waren zunächst stark vom abstrakten Expressionismus, besonders von Jackson Pollock geprägt. Er gilt zusammen mit Donald Judd als einer der bedeutendsten Vertreter des Minimalismus und lieferte wichtige Beiträge zur Entwicklung der Performance, der Land Art, der prozesshaften Kunst und der Installation. Immer ging es ihm um die Verbindung und Auseinandersetzung zwischen Kunstobjekt und dem Betrachter. Seine frühen Werke (in den 1960er Jahren) waren eigentlich als Versatzstücke oder Accessoires für die von ihm verfassten Tanzperformances gedacht. Eines seiner interessantesten Werke aus dem Bereich der Land Art ist das ‚Observatorium‘ mit einem Durchmesser von 91 Metern. Es befindet sich in der niederländischen Provinz Flevoland. Morris fertigte es aus Erde, Holz, Stahl und Granit. Er setzt dabei die Sonnenwende in einer archaischen, aus Doppelringen bestehenden Anlage, die eine Interpretation von Stonehenge sein könnte, in Szene.


Archi_514_eMag
To see the actual publication please follow the link above