holzbau 59 P: Die Variabilität ist im Rahmen des Rasters (oder seiner Untergrößen) gegeben. Wie die Architektur nach außen aussieht, welches Material ich wähle, welche Erscheinungsform ich ihr gebe, ist beliebig. Die Architekten reagieren aber zu 99 % ablehnend auf unser System. Warum? P: Weil sie die Variabilität noch nicht erkennen. Der Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt und jeder Architekt hat in seiner Laufbahn irgendwann einmal über so etwas nachgedacht. Die meisten haben es wegen der Komplexität des Themas aufgegeben. Man stößt immer wieder an derartige Problemgrenzen, dass man von Anfang an wieder beginnen muss. LL: Es gehört ja auch die gesamte Haustechnik dazu. P: Wenn die EU-Vorschrift 2020 realistisch sein soll, dann wird man so bauen müssen. Wie beeinflusst der ökologische Materialeinsatz den Entwurf? P: 45 % der Wertschöpfung bei jedem Haus ist Holz. In Japan werden 300.000 Holzeinfamilienhäuser pro Jahr mit einer durchschnittlichen Lebensdauer von 25 bis 30 Jahren errichtet, laut japanischer Statistik. Das ist eine unglaubliche Ressourcenvergeudung. LL: Ich war immer der Ansicht, dass die Lebensdauer eines Hauses zwar relativ kurz sein mag, aber die einzelnen Teile des Hauses ja wesentlich länger leben können - wie bei alten Bauernhäusern. Das war für mich das nachhaltigste Bauen schlechthin. P: Ich war anfangs ein Illusionist, weil ich dachte, dass diese Nachhaltigkeit irgendjemandem etwas wert sein wird. Im Lauf der Zeit bin ich darauf gekommen, dass, wenn jemand etwas Nachhaltiges kauft, er zwar ein nachhaltiges Produkt möchte, dieses aber genauso preisgünstig, wie alles andere sein muss. Wieso verbindet sich Nachhaltigkeit mit dem Preis? P: In diesem Fall, weil die Demontierbarkeit der einzelnen Baukomponenten eine aufwendigere Einzelproduktion erfordert. Das ist mir klar, aber warum ist im wirtschaftlichen System die Nachhaltigkeit an einen Preis gekoppelt? Warum gibt es bei Nachhaltigkeit das ‚zu teuer‘-Argument? P: Weil jeder um das gleiche Geld beim Bauen möglichst viel (Fläche) haben möchte. Ist das nicht ein Denkfehler? LL: Das mag sein, aber vielleicht gibt es einen allgemeinen Denkfehler, weil ‚Bescheidenheit‘ noch nicht zu einer gesellschaftlichen Größenordnung geworden ist. Die Entwicklung eines Produktes hat nur dann einen Sinn, wenn es auch auf dem Markt ankommt. Unser Haus ist das erste, das unabhängig vom Grundstück verkauft werden kann, aufgrund der Zerlegbarkeit und Kleinteiligkeit. Gleichzeitig können die Einzelteile - bei einer gewissen Stückzahl - industriell hergestellt werden. So kann das Bauen um ein Drittel verbilligt werden. Sie geben einen Preis unter 800 Euro/m2 an. Das ist doch ein Dumpingpreis, normalerweise rechnet man mit 1.200 bis 2.000 Euro/m2? P: Ein elektrischer Fensterheber für einen PKW kostet in der Herstellung 7 Euro und hat damit bereits die Handkurbelmechanik verdrängt. Um dieses Geld bekommen sie aber nicht einmal das Material dafür. Durch die große Stückzahl ergibt sich dieser Preis. Die Definition des ‚Industriellen‘ heißt, die Herstellungskosten sind geringer als die Materialkosten bei einem Lohnanteil von 5 - 8%. Wenn diese Eckdaten nicht gegeben sind - ist es nicht industriell. Kann bei einem Einfamilienhaus bereits die Stückzahl so groß sein, dass es so billig wird? P: Es werden in der EU - laut Eurokonstrukt - trotz Krise 700.000 Ein- und Zweifamilienhäuser pro Jahr gebaut. Wenn wir 2% davon errichten würden, wären wir bereits unter 800 Euro/m2. Es gibt keine Industrie, die nicht zumindest 2% Marktanteil hat. Aber wir haben noch keine Marktposition, wir sind noch gar nicht auf der Welt. Warum? Ihr System existiert ja bereits? P: Ja, aber nicht um 800 Euro/m2. Es kommt immer darauf an, wie viele Stück ich beim Produzenten bestelle. Ein Bürohaus verkaufen wir um 1.500 Euro/m2. Die Möglichkeit der industriellen Fertigung ist da. Beim Bauen haben wir heute einen Lohnanteil von über 70%, beim Auto 23%. Leider gibt es weltweit keine Bauindustrie, es gibt Ziegelindustrie, Zementindustrie, Plattenindustrie etc., aber keine Bauindustrie. Wir sind eigentlich das, was der Webstuhl zur Handwebe war. Der Webstuhl hat es dem Durchschnittsbürger ermöglicht, sich nicht in Lumpen kleiden zu müssen. Das heißt, Sie sehen das Problem der industriellen Fertigung und der Arbeitsplätze wesentlich zusammenhängender, weil Sie die weitere Kette miteinbeziehen. P: Es ist ganz einfach: Durch industrielle Produktion wird es leistbar, so wie das Auto. Wie wichtig ist Ihnen die Bezeichnung MOBILIE im Gegensatz zur IMMOBILIE? P: Das ist ein Abfallprodukt aus dieser Systematik. Die Deutsch Bank, und zwar die Leasingabteilung hat bei uns angefragt und gemeint, sie könnten sich eine Leasingfinanzierung für so ein Haus - ohne Hypothek auf das Grundstück, weil es ja pfändbar ist - vorstellen. LL: Eine Perspektive ist ja auch, dass ich klein anfangen kann, und später dazu bauen. Man braucht für die Montage des Hauses nur einen Akkuschrauber und eine Hebeeinrichtung. Was ist Nachhaltigkeit für Sie? P: Das ist für mich die Kombination von sparsamem und langlebigem Umgang mit Ressourcen. LL: Am Traunsee lebe ich in einem Getreidespeicher, der ist 1735 errichtet worden. Das ist nachhaltig genug. P: Man könnte also, als Überschrift sozusagen, dafür den Begriff ‚Werterhaltung‘ nehmen.
architektur Ausgabe 02/2014
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