Page 3

archi_115_kleMag

3 www.architektur-online.com Editorial Alt und Neu Der Antagonismus „Alt und Neu“ (griechisch antagōnisma, „Widerstreit“) bedeutet nicht nur das Nebeneinanderstellen und Verbinden von zwei aus verschiedenen Zeitepochen stammenden Architekturen, sondern auch das Eintauchen in diese Zeittiefen, das Graben in Schichten und das Wiederaufdecken von Verlorenem. Bei der Zusammenstellung der Berichte für das Leitthema dieser Ausgabe fiel mir auf, dass ein Großteil der Projekte von der Iberischen Halbinsel, aus Portugal und Spanien kommt. Nicht, dass es in Österreich nicht großartige Beispiele für den Umgang mit „Alt und Neu“ gäbe – das Projekt der Ankerbrotfabrik und viele andere beweisen das – Aber die Architekten der südeuropäischen Länder zeigen schon eine eigene Begabung mit kleinsten, manchmal fast unmerklichen, Eingriffen die Gestaltung und auch das Design zu betonen. Es sind, meiner Meinung nach, das Herz und die Liebe und nicht nur die südliche Sonne, die zu diesen Leistungen führt. Mit ausschließlich auf ökonomischen, rationellen Bedingungen aufgebauten Konzepten und Vorgangsweisen wären derartige architektonische Realisationen wohl nicht zu erzielen. Man könnte natürlich argumentieren, dass in südeuropäischen Staaten die Überwucherung des Baugeschehens mit Regeln, Gesetzen und Normierungen noch nicht in solchem Ausmaß wie beispielsweise in Österreich stattgefunden hat. Dass man dort zum Beispiel Baustoffe verwenden darf, die hierzulande aufgrund des Widerstandes diverser Interessenvertretungen einfach keine Bauzulassung bekommen – Obwohl sie vielleicht sogar nachhaltiger und ökologisch besser wären. Dass also „dort unten, im Süden, alles leichter ist“. Trotzdem sind der Wille und die Vision eines Architekten immer noch die Triebfeder der Kreativität. Das zeigt sich sehr deutlich in der Wiedernutzung der alten Zementfabrik in Barcelona, in der RBTA (Ricardo Bofill Taller de Arquitectura) ihren Sitz haben. Aber auch darin, wie der nicht mehr existente Raum eines Klosters in Betxí/Spanien durch einen Trick des Architekturbüros el fabricante de espheras wiedergewonnen wurde. Das Feriendomizil auf den Azoren von SAMI Arquitectos umhüllt Altes mit einer neuen Haut. An der französischen Riviera entstand durch die 4a Architekten eine gelungene Renovierung eines Baus von Architekt Barry Dierks – selbstverständlich vor azurblauem Himmel und Meer. Aus Wien berichten wir über die o. e. Ankerbrotfabrik, in der das Objekt 19 von den Architekten Freimüller Söllinger Architektur ZT GmbH mit Planet Architects mit sensiblen Eingriffen und minimalem visuellen Aufwand in eine Musikschule verwandelt wurde. Mit den Magazinbeiträgen und den gewohnten Kolumnen füllt sich diese Ausgabe zu einer Betrachtung des Hauptthemas „Alt und Neu“ aus allen möglichen Perspektiven. Viel Vergnügen beim Lesen wünscht Peter Reischer


archi_115_kleMag
To see the actual publication please follow the link above