Page 28

archi_115_kleMag

architektur FACHMAGAZIN 32 Alt & Neu Der Transformationsprozess begann mit der Zerstörung und dem Abbruch eines Teils der alten Strukturen, um bisher versteckte, verborgene Körper sichtbar zu machen. So als ob der Beton wieder in eine Skulptur verwandelt und noch ein zweites Mal geformt würde. Die Fabrik war ein Kompendium von surrealen Elementen: Stiegen die nirgendwohin führten, mächtige Stahlbetonstrukturen die nichts unterstützen, Bewährungsstahl der ins Freie ragte – lauter Areale der Magie für einen Architekten. Nachdem die äußere Form und Gestalt der Architektur bereinigt war, wurden neue Grünflächen gepflanzt. Grün sollte befrieden, von den Dächern herunterwachsen und die Betonflächen langsam überdecken. Der Komplex steht nun mitten in einem üppig bewachsenen Garten mit allen möglichen südlichen Bäumen und Gewächsen. Vögel und Tiere haben ihn als Biotop entdeckt und sich wieder angesiedelt. Der dritte Schritt der Adaptierung war die Ent- und Neufunktionalisierung der alten Fabrik. Acht der Silos blieben bestehen, sie wurden in Büros und Arbeitsräume verwandelt. Eine Modellbauwerkstatt, Archive, eine Bibliothek, Projektionsräume und ein gigantischer Saal – er wird als „Kathedrale“ bezeichnet und für Ausstellungen, Konzerte und eine ganze Reihe kultureller Aktivitäten verwendet – sind entstanden. Durch die, von der katalanischen Gotik inspirierten Fenster, kann man fast überall in den Garten blicken. Natürlich mussten auch neue Elemente hinzugefügt werden – dazu benutzte Bofill alle möglichen Sprachen der Architektur, von der volkstümlichen über historische bis zur modernen. Der Beton wurde und wird langsam überwuchert und das partiell Ruinenhafte verleiht dem Bau etwas Romantisches. Das Ende dieser Transformation ist nicht abzusehen, die Natur erobert stückweise ihr Terrain zurück und dieser „Renaturierungsprozess“ ist wie ein Eintauchen, ein langsames Gleiten in eine Zukunft. Dieses Projekt ist der Beweis, dass ein Architekt mit genügend Vorstellungskraft jeden Raum an eine neue Funktion adaptieren kann, egal wie unterschiedlich sie in der ursprünglichen Nutzung geplant war. Hier passt sehr gut der Schlusssatz aus der Bofill‘schen Performance in Venedig 2014: „Time does not exist. Space is everything. And existence is now.“ Mit viel Geschmack, Geschick und minimalen architektonischen Eingriffen sind die wieder lebenswerten Räume entstanden. (rp)


archi_115_kleMag
To see the actual publication please follow the link above