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25 www.architektur-online.com architekturszene Es muss ein Hochhaus sein Um am Erdberger Mais ein weiteres Hochhaus zu errichten, schrieb die Bank Austria Immobilien GmbH (BAI) im Jahr 2013 einen Architekturwettbewerb für die Fläche von 2.400 m² vor dem Gasometer A aus. Als Gewinner ging das niederländische Büro MVRDV hervor. Gate 2 soll der zukünftige Glasturm mit einer stattlichen Höhe von 110 Meter und 30 Geschossen heißen. Der Bau desselben wird voraussichtlich 2016 in Angriff genommen und 2018/2019 abgeschlossen sein. Dabei wünscht sich der Investor eine Aussicht auf flexible Nutzung, da laut eines Kommentars des Projektleiters der BAI „niemand weiß, welchen Bedarf wir in drei, vier Jahren bei der Fertigstellung des Hochhauses haben werden“. Die Frage ist nur, von wessen Bedürfnissen hierbei die Rede ist. Bezeichnet wird das Bauwerk gemäß den Unterlagen der BAI als „hochwertiges Büro- und Geschäftsgebäude mit Umnutzungspotenzial“. Diese Definition lässt darauf schließen, dass in erster Linie die Anforderungen privater Käufer berücksichtigt werden. Von der Erfüllung eines öffentlichen Nutzens ist demnach auch der neueste Hochhausentwurf weit entfernt. Zu bemängeln ist aber nicht nur der geplante Inhalt des Gebäudes. Wer sich die Pläne des Teams MVRDV ansieht, wird feststellen, dass es sich bei dem Turm nur um ein weiteres Bauwerk handelt, welches die historische Fassade der Gasometer in den Hintergrund drängt. Seitens der Investoren findet dieser Aspekt jedoch keine Beachtung. Sowohl Bauherr als auch die Architekten von MVRDV loben vor allem die Form mit der prägnanten „schlanken Taille“ des Turmes. Chefarchitekt Winy Maas spricht hier sogar von einer „klassischen Definition von Schönheit“. In Wahrheit handelt es sich bei der Verschmälerung weniger um einen kreativen Stilbruch, als vielmehr um eine Anpassung an die derzeitige Gesetzeslage. Der Hüftknick des Bauwerkes soll nämlich sicherstellen, dass umliegende Gebäude nur für maximal zwei Stunden am Tag beschattet werden. Das recht außergewöhnliche Aussehen des Hochhauses ist somit als Antwort auf die Wiener Bebauungsvorschrift zu verstehen. Es überrascht jedoch nicht, dass die Errichtung eines weiteren Hochhauses das Ziel des Bauträgers BAI darstellt. Der Investor hat sich bereits in der Vergangenheit mit der Entwicklung massiver Bauprojekte einen Namen gemacht. Erst 2011 sorgte das im 3. Wiener Gemeindebezirk eröffnete Einkaufszentrum „The Mall“ für negative Schlagzeilen. Ohne Rücksicht auf den Bestand wurde damals in unmittelbarer Nähe zum historischen Stadtkern ein Glaspanzer errichtet. Bauboom auf Kosten des öffentlichen Raumes Woran es der Grenzregion zwischen 3. und 11. Wiener Gemeindebezirk derzeit am meisten mangelt, ist eine einladende Gestaltung des Außenraumes. Trotz der Beliebtheit des Areals bei Architekten und Investoren ist außerhalb der Gebäude von einer Aufenthaltsqualität noch nichts zu spüren. Auf Grünflächen müssen die Bewohner der Gasometer City weitgehend verzichten. Auch windstille Plätze mit geschützten Sitzgelegenheiten dürften die Bewohner derzeit vergebens suchen. Die einzige naturnahe Erholungsmöglichkeit stellt derzeit der Wiener Prater dar. Allerdings ist dieser vom angepriesenen Wohngebiet durch den Donaukanal, die Ostautobahn, die Erdberger Lände sowie die U-Bahn-Remise Erdberg getrennt. Mit der aktuellen baulichen Entwicklung droht der Bereich um das Erdberger Mais einen ähnlichen Zyklus wie die Donauplatte im 22. Wiener Gemeindebezirk zu durchlaufen. Das Ergebnis wäre eine Abstellfläche für sämtliche Investitionsprojekte der Stadt Wien – ein sehr unrühmliches Ende für den Standort eines Wahrzeichens wie den Wiener Gasometern.


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