WendePunkt
Der Leopoldplatz, auch kurz Leo genannt, ist bekannt für Architekturjuwele wie die Alte Nazarethkirche von Karl Friedrich Schinkel, seine kulturelle Vielfalt dank Veranstaltungen wie der Fête de la Musique, Weihnachtsmärkten oder dem Iftar-Essen während des Ramadan – aber auch berüchtigter Treffpunkt für unterschiedliche soziale Gruppen, was in der Vergangenheit immer wieder zu Nutzungskonflikten geführt hatte. Um das Herzstück des Berliner Stadtteil Weddings aufzuwerten, wurde 2009 vom Bezirk Berlin-Mitte ein Projekt initiiert, das Alkoholmissbrauch, Drogenkonsum und Gewalt auf dem Leopoldplatz eindämmen sollte.
2022 stießen Sophia Tang und Hans-Christian Buhl vom Architekturbüro sophie & hans zu WendePunkt, um für die gemeinnützige Organisation mit dem Café Leo einen Raum für soziale Aktivitäten sowie einem gastronomischen Angebot zu entwerfen. WendePunkt hatte zuvor die Neuausschreibung mit dem Vorschlag gewonnen, einige seiner soziokulturellen Projekte auf den Platz zu bringen. Das Duo sophie & hans erwies sich als perfect match: das Studio konzipiert Projekte in verschiedenen Größenordnungen und für unterschiedlichste Zwecke. Der Fokus liegt dabei meist auf der Gestaltung von öffentlichen Räumen mit einem starken sozialen Fokus, die sowohl funktional als auch künstlerisch anspruchsvoll sind. Auch das 2023 eröffnete Kiezcafé dient nicht nur als Treffpunkt für die Nachbarschaft, sondern bietet auch soziale Dienstleistungen wie mehrsprachige Beratung und Unterstützung bei Behördengängen und trägt zur sozialen Kontrolle sowie Belebung des Platzes bei.
Das Café Leo ist ein gelungenes Beispiel, wie niedrigschwellige Architektur für alle funktionieren kann: Der freistehende Pavillon aus hellem Lärchenholz zeichnet sich durch eine schlichte, aber anrührende Ästhetik aus. Großzügige Glasflächen sorgen für Transparenz und dienen als offenherzige Einladung an verschiedene Nutzergruppen des Platzes. Die Öffnung des Pavillons zu allen Seiten des Platzes darf als bewusste Geste verstanden werden – dadurch wird der Eindruck vermieden, dass das Café exklusiv oder nur für bestimmte Bevölkerungsgruppen zugänglich ist. Diese Offenheit lädt sowohl bürgerlich-urbane Klientel als auch weniger privilegierte Menschen ein, den Raum und das Angebot zu nutzen. Erschwingliche Preise sowie Angebote bis hin zur Strickgruppe fördern die Integration verschiedener sozialer Gruppen zusätzlich.
Der großzügige, schützende Dachüberstand lädt zum Verweilen rund um den Pavillon ein, während das Straßenpflaster den Besucher nach innen führt und das Café als Teil des öffentlichen Raums erscheinen lässt. Die altrosa lasierte Lärchenholzkonstruktion ist eine Reminiszenz an den benachbarten Schinkel’schen Backsteinbau und fügt sich nahtlos in die Platzgestaltung ein. Der neue Pavillon umfasst auf einer Fläche von 40 Quadratmetern neben einem Verkaufsbereich und einem Personal-WC auch einen kleinen Aufenthaltsbereich mit Sitzmöglichkeiten sowie einen PC-Arbeitsplatz für den Antragsservice. Der benötigte Stauraum ist geschickt im Brüstungsbereich untergebracht, während zwei von außen zugängliche Boxen die Mülltonnen verdecken. Um Feuchtigkeitsschäden zu vermeiden, steht die Konstruktion auf kleinen Stahlfüßen. Opake Wandteile sorgen für zusätzliche Stabilität und schlanke Profile. Verglasungen, Türen und Klappen sind präzise in die Struktur integriert, wobei ausgefräste Versätze als Anschlag für die Klappläden dienen. Das Dach besteht aus einer Kassettenkonstruktion im Stützenraster, was dem Pavillon eine harmonische und filigrane Erscheinung verleiht.
Das Café Leo in Wedding fördert Transparenz, Offenheit und soziale Interaktion, setzt aber auch in gestalterischer und städtebaulicher Hinsicht ein klares Zeichen: Wenn Architektur und soziale Belange Hand in Hand gehen, kann die gezielte Gestaltung öffentlicher Räume dazu beitragen, Brennpunkte abzumildern und Plätze langfristig aufzuwerten.
CAFÉ LEO
Berlin, Deutschland
Planung: sophie & hans
Bauherr: WendePunkt gGmbH
Fläche: 40 qm
Fertigstellung: 2023
Text: Linda Pezzei
Fotos: Bryn Donkersloot
Kategorie: Projekte