Skifahren auf Müll

7. Januar 2020 Mehr

 

CopenHill, Amager Bakke / Kopenhagen / BIG

Angesichts der steigenden Abfallmengen auf unserer Welt hat das dänische Architekturbüro BIG eine neue Müllverbrennungsanlage mit einer Skipiste auf dem Dach, Kletterwänden, Fitness­parcours und Restaurationsbetrieben kombiniert. Es ist ein sicherlich wichtiger Versuch, die Umweltbelastungen in den Griff zu bekommen und soll dazu beitragen, Kopenhagen bis zum Jahr 2025 zur ersten CO2-neutralen Stadt der Welt zu machen.

 

CopenHill Amager Bakke Kopenhagen

 

Der Müll auf unserer Welt wird langsam (oder schnell) zu einem immer größer werdenden Problem. Wir produzieren zu viel, verbrauchen zu viel und dementsprechend müssen wir Müll entsorgen. Vor allem die urbanen Gebiete ersticken teilweise schon im Müll, siehe Kairo oder Mumbai.

Kopenhagen in Dänemark ist schon seit vielen Jahren ein Vorbild für städtebauliche Entwicklungen. Nicht nur, dass es mehr Radfahrer als Autofahrer in der Stadt gibt, auch die städtebauliche Entwicklung der Stadt läuft in einem überlegten, nachhaltigen und durchaus sehenswerten Rahmen ab. Nun gibt es mitten in der Stadt eine ganzjährig geöffnete Skipiste auf einer neuen Müllverwertungsanlage. Sie wurde von BIG, die einen Wettbewerb dazu im Jahr 2015 gewonnen haben, errichtet.

CopenHill, auch als Amager Bakke bekannt, ist eine der neuen Landmarks von Kopenhagen. Und im Rennen um neue Superlative wird sie als die „cleanest waste-to-energy power plant in the world“, als die sauberste Müllverbrennungsanlage der Welt bezeichnet. Es ist eine ganz neue Art und Sichtweise einer derartigen Anlage und wird deshalb auf der Homepage von BIG auch unter „body culture“, also unter dem Begriff „Bauten für Fitness“ eingereiht.

Die Architektur hat die Form eines Prismas – seine Oberseite ist von einer Skipiste bedeckt, die sich entlang des Baukörpers hinunterschlängelt. Zusammen mit einem Fußweg und einer Kletterwand stellt sie den Anspruch an die hedonistischen Seiten der Nachhaltigkeit für die Bevölkerung zufrieden. Gleichzeitig entspricht sie den ambitionierten Zielen von Kopenhagen, bis 2025 die erste CO2-neutrale Stadt der Welt zu werden.

 

CopenHill Amager Bakke Kopenhagen

 

CopenHill ist eine 41.000 Quadratmeter große Müllverbrennungsanlage, kombiniert mit einem Fitness­center, einem Hub für pädagogische Umwelterziehung, eine aufregende Infrastruktur und eine architektonische Landmark. Entworfen wurde sie als eine öffentliche Infrastruktur mit integrierten sozialen Nebenwirkungen und Benefits vom ersten Tag an. Sie ersetzt eine 50 Jahre alte, angrenzende Anlage, trägt die Bezeichnung Amager Ressourcencenter (ARC) und in CopenHill werden neueste Technologien für die Behandlung, Verbrennung und Verarbeitung von Müll in Energie angewandt. Aufgrund ihrer Situierung am industriellen Hafenviertel von Amager, wo die anderen Industrieanlagen bereits den Hintergrund für Wakeboarding und Go-Cart-Rennen bieten, erweitert die neue Müllverbrennungsanlage mit der Skipiste, der Trasse fürs Wandern und den Kletterwänden die Wunschliste von Abenteuersuchenden.

Die inneren Volumina der Anlage sind von den präzisen Anordnungen der Maschinen und der Organisation der Abläufe bestimmt. So entstand die effiziente, 9.000 Quadratmeter große Skipiste am Dach. Sie geht von der Spitze in einer 180-Grad-Kurve hinunter zur Erdoberfläche. Hier können die Sportler auf der künstlichen Abfahrt – sie hat die exakte Länge der olympischen Halfpipe für Snowboarding – hinunterfahren, können den Freestyle-Bereich testen, Slalomstrecken mit Zeitmessung ausprobieren. Beginner und Kinder haben sanftere Strecken im unteren Bereich zur Verfügung.

Skifahrer betreten den Freizeitbereich über einen Schlepplift oder mittels eines gläsernen Aufzugs, der gleichzeitig Aus- und Einblicke in den 24-Stundenbetrieb der Anlage bietet. Freizeitfans und Besucher, die den Gipfel von CopenHill erreichen, bekommen das Erlebnis eines neuen Berges in der ansonsten flachen Umgebung. Wenn man nicht skiinteressiert ist, kann man sich an der Bar auf der Dachterrasse vergnügen, den Fitnessbereich und die Kletterwände benutzen und die höchstgelegene Aussichtsterrasse der Stadt bewundern bevor man den 490 Meter langen, von Bäumen üppig gesäumten Wander- und Laufweg hinunter benutzt. Der hügelige Grünbereich beim Abstieg wurde übrigens von den dänischen Landschaftsarchitekten Architects SLA gestaltet. Die 10.000 Quadratmeter große Dachfläche richtet sich nach den Herausforderungen des Mikroklimas auf dem 85 Meter hohen Park: Sie renaturiert die Architektur in eine Landschaft mit Biodiversität, absorbiert Hitze im Sommer, entfernt Schadstoffe aus der Luft und minimiert Starkregenauswirkungen bei Unwettern.

 

CopenHill Amager Bakke Kopenhagen

 

Unter der Piste verwandeln vibrierende, glühende Öfen, Dampf und Turbinen 440.000 Tonnen Abfall jährlich in genügend saubere Elektrizität um 150.000 Haushalte des Bezirkes mit Energie und Wärme zu versorgen. Die notwendigen Maschinen, zehn Geschosse Büro- und Verwaltungsräume für das Team von ARC, die Abgaskamine, die Ventilationsschächte sowie die Ansaugkanäle für die Frischluft tragen dazu bei, die Topografie eines Berges zu gestalten und in die Höhe zu ziehen. In den zehn Verwaltungsebenen sind auch ein Trainingscenter für wissenschaftliche Versuche, Räume für Workshops und Säle für nachhaltige Konferenzen eingeplant. Eine von Menschenhand kreierte Landschaft als Begegnung zwischen den Bedürfnissen der Erde und den Wünschen nach dem Himmel.

Der Körper der Anlage stellt aber keineswegs einen isolierten, architektonischen Komplex dar – der Umschlag des Gebäudes, seine Fassaden bieten eine Gelegenheit, sich mit dem lokalen Kontext zu verbinden und gleichzeitig die Visionen von ARC zu verdeutlichen. Die Hülle der Architektur besteht aus 1,2 x 3,3 Meter großen Aluminiumteilen, sie sind wie gigantische Ziegel übereinander gestapelt und überlappen sich. Dazwischen erlauben es verglaste Fenster, das Tageslicht tief in den Körper eindringen zu lassen. Größere Öffnungen befinden sich an der Südwestseite, hier belichten sie die Workshop- und Verwaltungsräume auf den entsprechenden Ebenen. An der längsten vertikalen Fassade befindet sich die mit 85 Metern höchste künstliche Kletterwand der Welt, sie wartet auf neue Rekorde und von ihr aus gibt es auch Einblicke in das Innere der Architektur.

Am Boden, am Ende der Skiabfahrt, erwartet eine 600 Quadratmeter große Après-Ski-Bar Anwohner und Besucher, um sie nach dem Ablegen der Skischuhe zu erfrischen. So wird CopenHill – ein Stück der Infrastruktur der Industriezone – zu einer neuen Destination für Familien, Freunde, Feiern als ein ökonomischer, sozialer und nachhaltiger Gewinn für Kopenhagen.

 

CopenHill
Kopenhagen, Dänemark

Bauherr: Amager Ressourcecenter ARC
Planung: BIG, Bjarke Ingels, David Zahle, Jakob Lange, Brian Yang  
Mitarbeiter: SLA, Lüchinger+Meyer, MOE, Rambøll, Jesper Kongshaug and BIG Idea
AKT, Topotek 1, Man Made Land, Realities:United

Grundstücksfläche: 41.000 m2
Planungsbeginn: 2015
Fertigstellung: 2019

https://big.dk

 

 

Fotos: Laurian Ghinitoiu,, Dragoer, Rasmus Hjortshoj, Soren Aagaard

https://big.dk

 

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Kategorie: Projekte