Modelle „drucken“: rechnergestützter Architekturmodellbau

5. September 2011 Mehr

Keine Lust mehr auf zerschnittene Zeichentischoberflächen, klebstoffverschmierte Finger und ruinierte Lineale? Dann „drucken“ Sie doch ihr Arbeits-, Präsentations- oder Wettbewerbsmodell! CAD und der rechnergestützte Architekturmodellbau machen es möglich…

Auch im Zeitalter von 3D-CAD, Rendering und Virtual Reality – die optischen und haptischen Qualitäten eines gebauten Modells lassen sich durch nichts ersetzen. Will man sich einen schnellen Überblick über ein Projekt verschaffen, so ist das Architekturmodell ideal. Es erlaubt dem Betrachter, unkompliziert jede gewünschte Perspektive zu wählen und sowohl Details als auch das Gesamtobjekt gleichzeitig im Auge zu behalten.
Materialqualitäten werden am Modell im Wortsinn „begreifbar“. Funktions-, Konstruktionsdetail- oder Einbaumodelle ermöglichen das Erkennen und Korrigieren von Fehlern und die Optimierung von Form und Konstruktion. Anhand von Verschattungsstudien lassen sich Baukörper optimal ausrichten, aerodynamische Versuche im Windkanal mindern Verwirbelungen und Windbelastungen. Auch die Teamarbeit wird einfacher, denn am gebauten Modell kann man mit mehreren Personen bequemer diskutieren als am Computerbildschirm.

Konventioneller und rechnergestützter Modellbau

War der konventionelle Bau von Präsentations- und Wettbewerbsmodellen bisher ein erheblicher Zeit- und Kostenfaktor, so versprechen moderne Modellbautechniken mehr Wirtschaftlichkeit. Da auch Entwürfe immer häufiger dreidimensional am Rechner konstruiert werden (Stichworte: SketchUp bzw. BIM), sind die Voraussetzungen für den rechnergestützten Modellbau vielfach auch schon in früher Projektphase erfüllt. Aus zwei- oder dreidimensionalen CAD-Daten lassen sich – quasi ohne „Medienbruch“ – mit modernen Techniken in relativ kurzer Zeit absolut maßstabs- und formgetreue Modelle erstellen. Eingesetzt werden dabei verschiedene Verfahren, wie die Stereolithografie, der 3D-Druck oder die CNC-Technik. Digital erstellte Modelle sind in konkurrenzlos kurzer Zeit realisierbar. Die dazu erforderlichen CAD-Daten werden mehr oder weniger direkt zur Ansteuerung der CNC-Fräsmaschine des Modellbau-Dienstleisters oder gar des im Büro stehenden 3D-Druckers genutzt.
Abhängig von der Technik lässt sich eine mit konventionellen Werkzeugen unerreichbare Detailgenauigkeit und Präzision von bis zu einem Zehntelmillimeter erzielen. Die Modelle können beliebig oft und in kurzer Zeit in identischer Qualität reproduziert werden. Sie lassen sich auch für Abformtechniken verwenden – wenn etwa individuelle Bauteile wie Auflager oder Verbindungsknoten entwickelt und in Kleinserien gefertigt werden sollen.

Technologien, Verfahren, Vor- und Nachteile

Ganz grob wird der rechnergestützte Modellbau unterschieden in additive (Stereolithografie, 3D-Drucker) und subtraktive Verfahren (CNC-Fräsen, Fräs-/Schneideplotter):

Stereolithografie

Über einer mit Flüssigkunststoff gefüllten Kammer wird eine von einem Schrittmotor gesteuerte Lasereinheit geführt. Dort, wo der Laserstrahl die Konturen des Bauteils abfährt, erhärtet der flüssige Kunststoff schichtweise. Eine Vorrichtung senkt die erhärtete Schicht ab. Der Laser fährt die Kontur erneut nach, sodass eine neue Ebene gehärtet werden kann. Auf diese Weise entsteht schichtweise nach einigen Stunden von unten nach oben ein Modell, das anschließend gehärtet, gereinigt, getrocknet und ggf. von einer Stützkonstruktion befreit werden muss. Die Technologie lässt sich auch zur Oberflächenveredelung eines Kunststoff- oder Metallträgerteils oder für Abformtechniken verwenden.

Nachteile: Auskragende Teile erfordern eine Stützkonstruktion. Die Oberflächenstruktur ist etwas grob und muss in der Regel nachbearbeitet werden (Schleifen/Lackieren). Für sehr filigrane Strukturen ist das Verfahren nicht geeignet.

3D-Druck

In Funktion, Betrieb und Handhabung sind 3D-Drucker mit Tintenstrahldruckern vergleichbar. Ein Gips/Kunststoffpulver wird schichtweise mittels eines mit einer Düse aufgetragenen Binders erhärtet, woraus Schicht für Schicht ein 3D-Modell entsteht. Mehrere im Druckkopf angeordnete Düsen werden einzeln angesteuert und ermöglichen den Aufbau komplexer, filigraner, optional auch farbiger Modelle. Der gesamte Prozess erfordert kein Bedienungspersonal. Auch aufgrund der System-Abmessungen, die etwa einem A3-Kopierer entsprechen, des geräuschlosen Modellaufbaues und des Einsatzes von rückstandsfreiem Material ist der 3D-Drucker in einer Büroumgebung problemlos einsetzbar.

Nachteile: Die Baugröße ist auf etwa 380 x 250 x 200 mm beschränkt. Wie bei der Stereolithografie, besteht das Modell aus einem einzigen Material, sodass verschiedene Materialqualitäten nicht darstellbar sind. Unterschiedliche Farben hingegen lassen mit speziellen 3D-Farbdruckern ohne nachträgliches Lackieren erzielen.

CNC-Fräsen

Bei der CNC-Technik (Computerized Numerically Control) werden aus dem CAD-Konstruktionsprozess heraus entstandene Daten an numerisch gesteuerte Bohr-, Fräs-, Schneid- oder Drehmaschinen (sog. CNC-Maschinen) weitergegeben.
CNC-Maschinen sind eine Kombination herkömmlicher Werkzeugmaschinen und elektronisch gesteuerter Schrittmotoren, die den programmgesteuerten Vorschub in mehrere Achsen ermöglichen. Unterschieden wird zwischen 2,5 und 3 Achsen sowie den mit zusätzlichen Freiheitsgraden ausgestatteten 4- und 5-Achsen-Maschinen. 2,5-Achsen-Maschinen erlauben den gleichzeitigen Vorschub zweier Achsen – damit sind nur Extrusionsobjekte realisierbar. Komplizierte Körper mit Hinterschneidungen oder Freiformflächen setzen mindestens drei Freiheitsgrade voraus.

Nachteilig ist die Lärm- und Staubemission, die eine Aufstellung in separaten Werkstatträumen voraussetzt.

Fräs-/Schneideplotter

Mit ihnen werden zweidimensionale Formen in ein bis zu 10 mm dünnes Material (Karton, Holz, Kork, Polystyrol, Acrylglas, Aluminium, Messing etc.) geschnitten oder gefräst. Anstelle eines Stiftes (wie bei den früher üblichen Flachbettplottern), führt der Fräs-/Schneideplotter einen Fräskopf oder ein Schneidmesser. Spezielle Laser-Drucker zum Schneiden oder Gravieren sind eine Variante, mit der verschiedene Materialien gleichzeitig geschnitten und graviert werden können. Damit lassen sich beispielsweise zweidimensionale Fassadenansichten inklusive aller Fenster- und Türöffnungen aus einem steifen Material schneiden/gravieren und anschließend zu einem 3D-Modell zusammensetzen.
Mit dieser Methode können auch extrem feine Fassadenstrukturen oder kleinmaßstäbliche Lochfassaden in hoher Präzision aus verschiedenen Materialien gefertigt werden.

Nachteile: Die herausgeschnittenen Platten müssen manuell zusammengesetzt werden. Runde Flächen oder Freiformflächen sind nicht direkt realisierbar – sie müssen segmentweise zusammengesetzt werden.

CAD-Datenschnittstelle

Zur Modellerzeugung werden die während der CAD-Konstruktion ohnehin entstandenen Geometriedaten des Bauwerks genutzt. Dabei lassen sich prinzipiell auch 2D-Daten verwenden – etwa für Fassaden- oder Höhenschicht-Modelle. Über 2D-Schnittstellen-Standards wie HPGL oder DXF können die Daten der meisten Bau-CAD-Programme genutzt werden. Für die rechnergestützte Modellgenerierung relevante 3D-Daten im STL-Format erzeugen dagegen nur wenige bauspezifische CAD-Programme (z. B. Autodesk Revit oder Vectorworks). Dagegen verfügen mittlerweile einige Modellier-/Rendering-Programme über einen STL-Export (z. B. Cinema4D, FormZ, Maya, Rhino). Weitere kompatible Datenformate sind VRML oder 3DS. In vielen Fällen ist eine – je nach Qualität der Daten und dem eingesetzten Modellbauverfahren – mehr oder weniger aufwendige Aufbereitung oder gar eine komplette Neuerstellung der Daten erforderlich. Im Gegensatz zu konventionellen Modellbau-Techniken, bei denen die Definition von Innen- und Außenflächen genügt, benötigt die Stereolithografie oder der 3DDrucker auch Informationen über Bauteilquerschnitte.
Demnach muss das gesamte Baukörpervolumen vollständig und eindeutig im CAD-Modell beschrieben sein. Vor dem eigentlichen Fertigungsvorgang müssen die CAD-Daten deshalb aufbereitet oder komplett neu erstellt werden. Die zum System gehörende Software untereilt die Geometrie in lotrechte, scheibenförmige Querschnitte. Die Scheibendicke beträgt zwischen 0,1 und 0,5 Millimetern und bestimmt die Oberflächenqualität.
Große Schichtdicken erzeugen bei gekrümmten Oberflächen „stufige“ Konturverläufe. Verhältnismäßig glatte Oberflächen erhält man durch geringe Schrittabstände – allerdings beanspruchen glatte Oberflächen längere Fertigungszeiten. Im Hinblick auf die Datenaufbereitung hat das CNC-Fräsen und -Schneiden Vorteile: Einfache 2D-Daten, die via DXF- oder HPGL-Schnittstelle an die Anlage übergeben werden, kann praktisch jede CAD-Software exportieren. Zudem ist eine Nachbearbeitung „sauberer“ 2D-Daten kaum erforderlich, respektive weniger problematisch.
Auch dies sind Gründe, weshalb sich die CNC-Technik im Architekturmodellbau durchgesetzt hat.

Kosten

Der rechnergestützte Bau von Wettbewerbs- und Präsentationsmodellen in Eigenleistung ist teuer und für kleine Büros unwirtschaftlich. Eine Fräs-/Schneideplotter-Anlage kostet inklusive Computer-Hard- und Software, zwischen 10.000 und 50.000 Euro – je nach Ausstattungsgrad und Größe der Anlage. Bei der Stereolithografie spielt sowohl die Leistung der Lasereinheit als auch die Objektgröße eine Rolle: Anlagen mit einer Laserleistung von unter 10 mW und einer Kammergröße von 250 x 250 x 250 mm bewegen sich um die 25.000 Euro. Größere Anlagen kosten 100.000 Euro und mehr. Die Preise für 3D-Drucker einschließlich Software beginnen bei etwa 15.000 Euro, für Laserdrucker zum Schneiden und Gravieren bei rund 10.000 Euro. Was eine entsprechende Dienstleistung kostet, lässt sich kaum quantifizieren, denn das hängt von vielen Einflussfaktoren ab: vom Modellbauverfahren, von der Datenqualität, der Modellgröße, der Oberflächengenauigkeit und damit der Fertigungszeit, von einer eventuell notwendigen Montagezeit für das Zusammensetzen des Objekts sowie von den Materialkosten. Für 3D-Druckmodelle liegen die Erstellungskosten im Durchschnitt bei 10–20 Cent pro Kubikzentimeter Modellgröße.

Selber machen oder beauftragen?

Rechnergestützte Modellbauverfahren werden den konventionellen Architekturmodellbau auch langfristig sicher nicht ersetzen können. Arbeitsmodelle für die Entwurfskontrolle sind noch immer preiswerter und schneller aus einem Styroporklotz herausgesägt oder aus Karton zusammengesetzt. Für den Bau von Präsentations- und Wettbewerbsmodellen in Form einer Dienstleistung ist der rechnergestützte Modellbau dagegen eine echte Alternative, zumal es um Präzision und – je näher der Abgabetermin rückt, desto mehr – um Schnelligkeit geht. Da es im Modellbaubereich keine Standards gibt, sind auch die Qualitäten und Preise von Modellbau-Dienstleistern sehr unterschiedlich.
Deshalb sollte man sich vorher mehrere Angebote einholen und Referenzmodelle zeigen lassen. Zunehmend werden auch Online-Modellbau-Dienstleistungen offeriert: Unter www.imaterialize.com kann man beispielsweise sein mit AutoCAD, SketchUp, Rhino, Maya, SolidWorks und anderen Programmen generiertes 3D-Modell in den Datenformaten STL, IGS, 3DS, SKP etc. hochladen und ein im 3D-Druckverfahren generiertes Modell in gewünschter Größe und Materialqualität bestellen.
Ähnlich funktioniert auch www.shapeways.com. Wer gerne selbst Hand anlegt, kann sich unter www.plannerrescue.at quasi einen „Bastelbogen“ seines aktuellen Projektes bestellen: Modellparameter (Größe, Material etc.) bestimmen und eine PDF-Datei aller erforderlichen Gebäudeansichten hochladen. Per Post werden die bedruckten und präzise per Schneideplotter ausgeschnittenen Modellplatten zugesandt, die dann nur noch zusammengeklebt werden müssen. Nur wer oft an Wettbewerben teilnimmt, häufig Präsentations- oder städtebauliche Modelle bauen muss, für den können die immer preiswerteren und einfacher bedienbaren Laserdrucker zum Schneiden oder Gravieren respektive 3D-Drucker eine interessante Alternative zur „Bastelecke“ im Büro sein.

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Kategorie: EDV