Kulturwandel im Bau gefordert
Das Zentrum für Globalen Wandel und Nachhaltigkeit an der Universität für Bodenkultur in Wien ist Motor und Impulsgeber zu Themen des Globalen Wandels und der nachhaltigen Entwicklung. Das Zentrum ist ein Ort der interdisziplinären wissenschaftlichen Auseinandersetzung, bietet Lernräume für komplexe Zusammenhänge und innovative Ideen und trägt dazu bei, zukunftsfähige Konzepte an die Gesellschaft zu vermitteln.
Mit der Leiterin des Zentrums, Univ.-Prof. Dr. Helga Kromp-Kolb, führte Peter Reischer ein Interview.
Wie ist für Sie – als Wissenschafterin – Ihr Zugang zur Architektur?
Für mich ist Architektur etwas, das einer Funktionalität einen Rahmen gibt. Man braucht irgendeine Art Wohnraum, Arbeitsraum oder Brücke, da ist immer die Funktion, die erfüllt sein muss, und die Architektur gestaltet diese Funktionalität. Aufgrund meiner Tätigkeit ist für mich wichtig, wie zukunftsfähig die Architektur diese Funktionalität gestaltet. Auch die Frage der Krisensicherheit – das können Naturereignisse wie Erdbeben, aber auch Kriterien wie die Ölverknappung sein – sind ein Kriterium für ‚gute’ Architektur. Natürlich gibt es auch den ästhetischen Aspekt, der aber sehr schwer objektivierbar ist. Schließlich ist die Wechselwirkung der Architektur mit ihrem Umfeld ein sehr wichtiger, zu berücksichtigender Faktor.
Was empfehlen Sie als Meteorologin und Klimaforscherin den Architekten?
Ich würde ihnen empfehlen, dass sie sehr viel Zeit und Gedanken darauf verwenden, eine Lösung zu finden, die mit der Natur im Einklang ist, so banal das auch klingen mag. Das fängt bei mir als Meteorologin damit an, dass man nicht das gleiche Gebäude in jede Klimazone der Welt stellen kann. Weil das automatisch bedeutet, dass man in manchen Zonen sehr viel Ressourcen benötigt um das Gebäude funktionsfähig zu halten. Man soll das nutzen, was die Natur bietet. Einerseits klimatische Bedingungen und andererseits Materialien, die eben vor Ort angeboten werden. Man kann z. B. auch Wasser in seiner natürlichsten Form benutzen, um Behaglichkeit und Kühlung zu erzeugen, und das mit möglichst einfachen Mitteln. Also Schwerkraft statt Pumpen. Wir werden in absehbarer Zeit in einer Situation sein, in der vieles der ganzen Hightech-Kultur einfach nicht mehr funktionieren wird. Das heißt aber nicht, dass wir alle Errungenschaften unserer Zivilisation außer Acht lassen und um 100 Jahre zurückgehen sollen. Wir müssen aus den Fortschritten das herauskristallisieren, was krisensicher und damit auch zukunftssicher ist.
Was sagen Sie zum „Thermisch-Sanieren“-Paket der Regierung?
Da wäre es ganz wichtig, eine gesamtheitliche Betrachtung zu machen. Es macht keinen Sinn, in einem Gebäude, bei dem die Fenster 1 cm breite Ritzen haben, die Wände irrsinnig zu isolieren. Zuerst eine Aufnahme, was ist da, was gibt es für Ansatzpunkte, und dann die beste Lösung suchen – wie schaut es mit dem Kriterium der Zukunftsfähigkeit für dieses spezifische Projekt aus. Das Sanieren kann befriedigerende Arbeit, mehr Handwerk und Identifikation mit der Arbeit schaffen – mehr als z.B. das Errichten von Plattenbauten oder Straßen.. Förderung sollte es aber nur für Qualität in Konzept und Ausführung geben.
Worauf sollen Architekten beim Bauen besonders achten?
Auf Energie- und Ressourceneffizienz und darauf, dass die Energie und möglichst auch die Ressourcen erneuerbar sind. Gott sei Dank lässt sich das mit Behaglichkeit und Funktionalität sehr gut verbinden. Extrem effiziente, hochtechnisierte Gebäude, in denen man sich nicht wohlfühlt, sind Fehlentwicklungen.
Ist Neubauen – aus ethischer Sicht – überhaupt noch vertretbar?
Wir haben einen ungeheuren Verschleiß an Fläche in Österreich (auch weltweit natürlich), und wir werden die Flächen ganz dringend brauchen, um uns zu ernähren. Die Zahl der Menschen steigt dramatisch und – und ob wir das wollen oder nicht – wir müssen darauf reagieren. Das Ideal vom eigenen Haus und Garten ist von der Zukunftsfähigkeit her natürlich eine Katastrophe. Deshalb ist ein Kulturwandel notwendig.
Sie propagieren einen „Kulturwandel“. Was meinen Sie damit?
Der Kulturwandel wird wegen des Klimawandels und wegen der Verknappung der Energie stattfinden. Noch können wir ihn gestalten. Wenn wir nichts tun werden die Wohlstandsdiskrepanzen und die Auseinandersetzungen mit dem Recht des Stärkeren „gelöst“ werden. Das ist nicht die Entwicklung, die man sich wünscht. Wir müssen daher von gewissen Wertvorstellungen wegkommen. Dazu zählt das quantitative Wirtschaftswachstum, das am Euro gemessen wird. Auch das Bild vom ‚idealen Haus’, wo man keinen Nachbarn mehr sieht, wird aufgeben werden müssen. Weder den Flächenverbrauch noch die Infrastruktur können wir uns leisten. Ich spreche damit das Problem der Raumordnung, die uns diese Zersiedelung gebracht hat, an. Der Kulturwandel wird alle Lebensbereiche erfassen!
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